Macabros 121: Höllenmarionetten
erfüllte, war erloschen.
Die Haut des thailändischen Mönchs fühlte sich
kühl und hart an.
Aber – nicht wie Wachs!
Macabros fuhr zusammen, als er es registrierte.
Die Oberfläche gab geringfügig nach wie eine dicke
Hautschicht, auf der man mit heftigem Pressen eine Druckstelle
hinterlassen konnte.
Die Oberschicht ließ sich abkratzen – und zurück
blieb ein blutiger Streifen…
Björn Hellmark, der eine Meile entfernt den Abtransport des
toten Kradfahrers noch miterlebte und sich dann nach seinen Aussagen
zur Sache in die Dunkelheit einer Seitenstraße zurückzog,
wußte, daß diese neue Entdeckung eine umgehende
Überprüfung auch der anderen Wachsfiguren bedeutete. Sie
waren gar nicht aus Wachs!
Bei ihnen handelte es sich um wirkliche Menschen, die zu einem
gespenstischen, unwirklichen Dasein verdammt worden waren.
War es das, was Danielle de Barteaulieé durch Zufall
entdeckte und deshalb ebenso spurlos verschwinden mußte wie
möglicherweise jene Menschen, die im ›Panoptikum‹
Gefangene waren und je nach Laune eines unheimlichen Geistes belebt
wurden?
Macabros packte den hockenden Mönch unter den Armen. Er
ließ sich verhältnismäßig leicht heben.
Mit dem Zweitkörper versetzte Björn Hellmark sich
zurück auf den Rummelplatz, wo inzwischen alles wieder ruhig
geworden war.
In Halbachs Wohnwagen war das Licht erloschen, und
vereinbarungsgemäß war auch Rani Mahay in einem kleineren
Zweitwagen untergebracht, in dem ein schmales Notbett stand.
Die Öffnung in der Rückwand des Panoptikums war wieder
verschlossen.
Macabros versetzte sich ins Innere der Bude und brachte die
›Wachsfigur‹ wieder an ihren alten Platz zurück, wo
die Beschriftung ›Mönch aus Thailand‹ noch befestigt
war.
Dann holte sich Björn Hellmark mit Hilfe seines
Zweitkörpers, den er an jeden beliebigen Ort delegieren konnte,
selbst auf den Rummelplatz zurück.
Hellmark weckte mit leisem Klopfen den Inder und informierte ihn
über die Ereignisse.
»Die Rätsel, Rani, werden größer, anstatt
kleiner«, flüsterte er ihm abschließend zu. »Ich
habe inzwischen von einem zweiten Unfall gehört, der sich einige
Straßenecken weiter von der Toreinfahrt zum Vulkins-Anwesen
ereignet haben soll. Ein Unfall unter ähnlichen
Vorzeichen…
Scheinbar war der Fahrer betrunken oder ist zu schnell gefahren
oder beides geschah… Wieder kein Wort von einer Wachsfigur, die
– wie wir wissen – transportiert wurde. Wäre ich nicht
zufällig auf den Thai aufmerksam geworden, hätte ich auch
das Besondere nicht erkannt.
Fehlt also noch der zweite Mönch.
An diesem Kabinett, Rani, ist mehr ungereimt, als wir bisher
ahnten und Halbach möglicherweise selbst weiß. Oder –
falls er etwas weiß – versteht er es jedenfalls sehr gut,
dies zu verbergen.
Das ›Panoptikum der Zeiten‹ ist der Schlüssel zu
einem Rätsel, das wir schnellstens lösen sollten. Wenn wir
das Geheimnis des Kabinetts kennen, erfahren wir möglicherweise
auch etwas über Danielles Schicksal. Ich habe einen furchtbaren
Verdacht, Rani, und hoffe, daß er sich nicht bestätigen
wird…«
Der Inder, der schon so lange mit Björn Hellmark verkehrte
und im Verlauf vieler gefährlicher Abenteuer mit dem Freund
verwachsen war, konnte sich denken, was hinter Björns Stirn
vorging.
»Du vermutest, daß es eine dämonische Kraft gibt,
die ihre Opfer aus verschiedenen Zeiten holen kann und dann in diesem
Panoptikum als Rummelplatz-Sensation anbietet. Die ›Opfer‹
werden irgendwo auf eine besondere Weise präpariert. Und
Danielle konnte sich an diesem unbekannten Ort
aufhalten…«
Um innerhalb der nächsten Zeit – setzte er seine
Gedanken im stillen fort – auch hier in diesem Kabinett zur
Schau gestellt zu werden.
Björn Hellmark nickte. »Es ist nur eine
Überlegung«, murmelte er nachdenklich, »und sie setzt
voraus, daß Halbach uns bewußt oder unbewußt
angelogen hat, als er behauptete, die ›Puppen‹ von seinem
Großvater und seinem Vater übernommen zu haben. Ich werde
im Innern des Kabinetts Stellung beziehen. Möglich, daß
unser überfälliger Mönch noch auftaucht.
Überhaupt habe ich das Gefühl, daß es eine aufregende
Nacht werden wird… Irgend etwas, Rani… oder irgend jemand
hat uns als Zielscheibe auserkoren.«
Den Namen brauchte er erst gar nicht zu nennen.
Hellmark dachte an Rha-Ta-N’my, die Dämonengöttin
und – seine Todfeindin…
*
Der Alchimist blickte dem Marquis nach, als er mit der Fackel in
der Hand den
Weitere Kostenlose Bücher