Macabros 124: Drudan, der Mysterienmacher
förmlich
geschluckt.
Rund sechshundert Meter nach dem »Hotel de Camarque«,
das wegen der Bäume am Straßenrand nicht mehr zu sehen
war, hatte Dominique zum erstenmal das Gefühl, daß etwas
nicht stimmte.
»Ich glaub’, wir haben uns verfahren«, bemerkte sie
leise und wurde unwillkürlich noch langsamer. »Die Gegend
hier – kommt mir unbekannt vor…«
Catherine Royer richtete sich auf.
»Die Straße führt doch eigentlich immer
geradeaus«, bemerkte sie auf die Worte ihrer Freundin. »Da
kann man sich doch nicht verfahren.«
Dominique Monde zuckte die Achseln. »Ich verstehe das auch
nicht… Aber sieh doch selbst: da vorn stehen Häuser…
oder was soll das sonst sein? Auf dem Herweg – gab’s auf
beiden Seiten der Straße nur flaches Land und
Sträucher.«
»Du hast recht… das sind Häuser.«
»Vielleicht hat sie jemand in der Zwischenzeit
errichtet«, sagte die Fahrerin dumpf. Es sollte ein Scherz sein,
aber er klang nicht so.
Dominique Monde fuhr weiterhin mit geringer Geschwindigkeit.
Die junge Frau aus Paris beugte sich weit vor, um besser sehen zu
können.
Noch immer regnete es stark, als hätte der Himmel alle
Pforten geöffnet und würde seine ganze Wasserflut auf
einmal zur Erde herabstürzen lassen.
Dominique fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, in dieser
Abgeschiedenheit und Einsamkeit vielleicht auf überspülter
Straße steckenzubleiben.
Die Scheibenwischer schafften es kaum noch, die Regenflut von den
Fenstern zu schieben.
»Vielleicht hätten wir doch über Nacht in Olivias
Haus bleiben sollen, Catherine«, sagte sie zu der Freundin an
ihrer Seite, ohne den Kopf zu wenden, »… ich muß im
Regen die Straße verpaßt haben und bin
möglicherweise auf eine geraten, über die früher mal
der Verkehr geführt wurde.«
Hinter dem Regenschleier zeigten sich zu beiden Seiten bucklig
aussehende, windschiefe Häuser.
Sie waren sehr niedrig, keines höher als eine Etage.
Und alles – völlig dunkel.
Die Scheinwerfer erfaßten ein Ortsschild, verwittert und
morsch, daß der Name kaum zu lesen war.
Nur ein »L« und ein »O« ließen sich
eindeutig ausmachen.
Jenseits des Richtungsanzeigers wehten milchigweiße
Nebelschwaden über die Straße. Der Regen war weniger
stark, das Prasseln hörte auf.
Aus dem Auto starrten die beiden Frauen auf die enge, holprige
Straße, die vor ihnen in der Dunkelheit, aber jenseits der
Reichweite des Scheinwerferlichts, eine seltsame Streckenführung
aufwies.
»Unheimlich ist’s hier.« Catherine Royer senkte
unwillkürlich ihre Stimme, als fürchtete sie sich davor,
laut zu reden.
Dominique Monde nickte. »Der Ort muß verlassen
sein… nirgends steht ein Auto… nirgendwo brennt
Licht.«
»Halte doch mal!« sagte Catherine plötzlich.
»Da vorn… ist doch jemand!«
Der Peugeot, der nur mit einer Stundengeschwindigkeit von
dreißig Kilometern durch den unbekannten Ort rollte, kam zum
Stehen.
»Was hast du gesehen?« wollte Dominique Monde
wissen.
»Einen Schatten…, so, als ob jemand die
Straße… vor uns überquert hätte.«
»Merkwürdig. Ich habe… nichts dergleichen
beobachtet.«
Dominique Monde fuhr wieder an.
Die Straße war gerade so breit, daß der Wagen Platz
genug hatte. Links und rechts stießen die extrem schmalen
Gehwege an die Reifen.
Die unter den schmutzigen Dächern geduckt aussehenden
Häuser wirkten bedrohlich, als würden sie in der Dunkelheit
weiter heranrücken.
Und dann geschah, was keine der beiden Frauen wahrhaben
wollte.
Die Straße wurde immer enger, die handtuchschmalen,
düsteren Häuser standen so dicht zusammen, daß die
Dachränder über die Straße ragten und einander
berührten.
Der Peugeot kam nicht mehr weiter.
Die Straße war zu schmal.
Wenn Dominique Monde nur noch zehn Zentimeter vorwärts
rollte, streifte sie mit beiden Kotflügeln die
Häuserwände.
»Wir sitzen fest«, sagte die Fahrerin fassungslos.
»Das ist eine Sackgasse.«
Hilflos sah sie sich um.
Die kleinen dunklen Häuser links und rechts neben ihnen
standen so nahe, daß die beiden Frauen Einzelheiten erkennen
konnten.
Die Fassaden waren brüchig, die Fensterläden hingen
schief, Wind und Regen fuhren zwischen sie und brachten sie zum
Klappern.
Zwei Minuten saßen Dominique und Catherine wie versteinert
in dem Peugeot, davor schien sich alles zu bewegen.
»Wir träumen«, unterbrach die grazile Catherine die
Stille. »So etwas gibt’s doch nicht…«
»Wir sind beide hellwach… und wir werden feststellen, wo
wie
Weitere Kostenlose Bücher