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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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die von Anfang an mit ihm unter einer Decke schlief, die sich um ihn kümmerte, als man ihn damals nach Prag gebracht hatte und keiner sich für ihn zuständig fühlte; hätte sie damals nicht mit ihm geschimpft, wenn er in die Hose gemacht hatte, hätte wohl keiner mit ihm gesprochen. Außerdem war Jolanka großzügig, und als ihre Brüste zu wachsen anfingen, legte sie Andrejkos Hand auf sie und gab mit ihren knospenden Reizen an. Und wie heiß war ihm |139| geworden, wie hatte er gezittert, als sie ihm zum ersten Mal seine Unterhose herunterschob und sich leise, um die anderen nicht aufzuwecken, an ihn schmiegte   …
    Und nun lebte Jolanka bei Miro, das durfte nicht wahr sein, das durfte nicht sein   …
     
    Nachdem Onkel Štefan im Gefängnis gelandet und Tante Ida nach Pilsen gezogen waren, wurde der kleine Milan eingeschult. Ida selbst konnte weder lesen noch schreiben, aber ihre Schwester machte ihr klar, dass der Junge ohne Schulbildung keine Chance hatte   … Milan blieb gleich in der ersten Klasse sitzen und man wollte ihn auf eine Sonderschule schicken, nach einigem Hin und Her durfte er aber doch auf der normalen Schule bei den Gadsche-Kindern bleiben. Von Zeit zu Zeit schärfte Majka ihm ein, dass er wie seine älteren Brüder im Knast landen würde, wenn er noch einmal sitzen bliebe, und im Jahr darauf brachte Ida auch die verängstigte Anetka zur Einschulung.
    Wenn Štefan da wäre, seufzte sie, würde er ihr und Majka die Hölle heiß machen   … aber Štefan war weit weg, und so brachte sie am nächsten Tag auch Andrejko zur Schule.
    Dort stellte man fest, dass der Junge zwar ein bisschen zählen konnte, wenn auch nur auf Romani,
jekh, duj, trin, štar
, buchstabieren konnte er jedoch nur mit äußerster Mühe und schreiben schon gar nicht. Viel schlimmer war aber, dass ihn keiner verstand, weil er zwischen dem harten Prager Tschechisch, dem ostslowakischen Dialekt und der weichen Sprache der Ruthenen von Poljana hin und her wechselte, außerdem kletterte ihm das alte Romani immer wieder auf die Zunge und die von Štefan aufgeschnappten kurzen Ostrava-Vokale.
    Keiner wusste, was man mit ihm machen sollte. Der Direktor |140| begann herumzutelefonieren, und etwa eine Stunde später tauchte eine Frau auf, die Ida und Andrejko aus dem Sekretariat in den Flur hinausdrängte. Erst nach langer Zeit rief man sie wieder hinein und überreichte der Tante einen Zettel mit der Adresse von einer Sonderschule   … Aber da holte Ida schon tief Luft und fing an zu schreien, sie werde Andrejko auf keine Sonderschule schicken, der Direktor solle froh sein, dass sich Andrejko einschulen lassen wolle, und wie komme denn diese bebrillte Gadsche-Frau, diese Schlampe, überhaupt darauf, dass sie sich bei einer Zigeunerfamilie alles erlauben dürfe? Da habe sie sich aber gewaltig geirrt! Ida ließ dem Direktor keine Zeit zum Antworten, der Flur hallte wider von ihrem Geschrei und die Fensterscheiben erzitterten, die eingeschüchterten Lehrerinnen trauten sich kaum, ihren Kopf aus der Tür des Klassenzimmers zu strecken.
    Also bat man Ida und Andrejko ins Direktorenzimmer, und erneut wurden Telefonate geführt, erneut wurde Andrejko ausgefragt, aber diesmal spürte der Kleine, dass man ihm nichts Böses wollte, dass man nach einer guten Lösung suchte, er sprang zwar wieder zwischen den Sprachen hin und her, aber er stotterte nicht mehr, blieb nicht mitten im Satz hängen und die Gesichter um ihn herum hellten sich auf, der Direktor nickte immer wieder, denn er sah, dass der Junge keinesfalls dumm, sondern nur fürchterlich verwahrlost war, und dass er schon so viel erlebt hatte, dass es bei anderen für mehrere Leben gereicht hätte, dass er bereits einen längeren Weg zurückgelegt hatte als Tante Ida, die nur Ostrava, die Straßen von Žižkov und Pilsen kannte, dass Andrejko sogar mehr erlebt hatte als er selbst, der Direktor einer Grundschule, die solche Kinder unterrichten und anleiten, ihnen den Weg zeigen sollte. Als er ein paar Tage später das Gutachten aus Kostelec erhielt, das spröde mitteilte: Lehnt ab, sich einzugliedern, |141| im Kollektiv unbeliebt, keine Chance zur Umerziehung, rief er sofort dort an und sagte, man müsse ihm aus Versehen eine falsche Akte geschickt haben, er kenne sich mit Kindern aus und Andrejko sei nun wirklich kein Rowdy.
    Schon wieder stand Andrejkos Welt kopf. Keinen interessierte es, dass er beim Klauen die flinksten Finger von allen gehabt hatte, dass er über die

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