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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Smaus
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morgens eingeschlagene Fensterscheiben vor, dann musste er neue Glasscheiben einsetzen statt zu unterrichten, eigenhändig, denn auf Handwerker hätte er dort im tiefsten Böhmerwald lange warten können.
    Als der Winter kam und in einer Nacht ein ganzer Meter Schnee gefallen war, beschlossen die umgesiedelten Familien, ihr Glück irgendwo anders zu suchen, und zogen aus dem rauen Klima des Böhmerwalds ins tschechische Binnenland. Seine kleine, im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden gestampfte Schule verwaiste. Die Kreisverwaltung wollte sie unverzüglich auflösen, er schaffte es gerade noch, eine Gnadenfrist von vierzehn Tagen zu erbetteln. In der ersten Woche |144| pendelte er noch voller Hoffnung zwischen der Kreisstadt und seinem Wald, in der zweiten Woche starrte er auf den Boden und trank   … Doch am letzten Tag vor Ablauf der Frist kamen seine Schüler zurück, sie waren von zu Hause ausgebüxt, um in das zerfallene, ehemals deutsche Dorf zurückzukehren, in die hölzerne Militärbaracke, die sie »unsere Schule« nannten   …
     
    Als der Direktor geendet hatte, saßen sie eine Weile schweigend da. Auf einmal fragte Andrejko: Und wo ist Gott?
    Der Direktor zog überrascht eine Augenbraue hoch und zuckte verlegen mit den Schultern.
    Ich weiß nicht, sagte er leise, vielleicht überall um uns herum, vielleicht trägt ihn jeder in sich, jeder einen anderen, vielleicht gibt es ihn gar nicht, so wie wir es euch beizubringen versuchen   … Früher war ich mir sicher, dass er nicht existiert, ich habe über die anderen gelacht, die an ihn glaubten, ich verstand nicht, warum sie vor Bildern knieten und Kerzen anzündeten, aber jetzt, wenn ich zurückblicke, bin ich mir nicht mehr so sicher   …
    Es ist nicht einfach, sagte er nach einer Weile und seufzte. Wir haben euch damals aus dem Schlamm herausholen wollen, wir wollten aus euch neue Menschen machen. Aber vielleicht hätten wir euch besser in euren Siedlungen gelassen, vielleicht wäre es euch dort besser ergangen. Die Leute hier mögen euch nicht, sie mögen keinen, der anders ist, ihr werdet es immer schwer haben, mit ihnen, mit uns   … Und schließlich haben wir es auch nicht leicht mit euch, eure Kinder sind nicht gut in der Schule, und sie wollen das auch gar nicht sein, aber nur von Musik kann man nicht mehr leben. Für Hilfsarbeiten braucht man natürlich keinen Schulabschluss, aber von einem solchen Leben habe ich keine Ahnung   …
     
    |145| Vielleicht ist der alte Laco deswegen so früh gestorben, dachte Andrejko, auch er war aus seinem Leben herausgerissen und zwischen hohe Häuser und in enge Straßen verpflanzt worden, Laco hatte die Siedlung mit einem Pferdehalfter in der Hand verlassen, mit jedem Hengst und jeder Stute fand er eine gemeinsame Sprache, und in Prag verzehrte er sich vor Sehnsucht nach ihnen   …
Jekhfeder paťiv lavutariske
, die höchste Ehre gebührt dem Geigenspieler, sagte man früher, und noch heute, wenn einer Geige oder Gitarre spielt, werden selbst die härtesten Burschen weich, deren Leben nur noch aus Knastaufenthalten besteht, sie schmelzen dahin wie ein Schneemann unter der gleißenden Frühlingssonne. Sogar ganz kleine Kinder können auf dem Rückweg vom Kino die Filmmelodie nachsingen, sie mit Schnörkeln verschönern und eine zweite und dritte Stimme hinzufügen, damit sie richtig lebendig wird. Doch in der Schule sind sie nicht imstande, das einfachste Lied vorzusingen, weil ihre eigenwillige Stimme hin und her springt wie die Nadel auf einer zerkratzten Schallplatte, und die Gadsche-Kinder lachen sie aus.
    Und wie sollten sie auch etwas lernen, wenn sie zu Hause nur Romani sprachen und in der Schule auf das fremde, komplizierte Tschechisch umschalten mussten? Wie viele Gadsche-Kinder würden es schaffen, jedes Wort hin und her zu übersetzen, wie viele von ihren kleinen Mitschülern, diesen bebrillten Strebern und beflissenen Mädchen mit Zöpfen würden weiterhin ihre Einsen schreiben, wenn sie ständig von einer anderen Sprache ins Tschechische wechseln müssten?
     
    Tante Ida hatte endlich lesen gelernt und auch ein wenig schreiben, allerdings nur in Druckbuchstaben, aber auch so schüttelte sie immer wieder erstaunt den Kopf, wer hätte gedacht, dass sie als alte Frau wie ein Dottore schreiben würde   … |146| Wenn sie jetzt das Kindergeld in Empfang nahm, malte sie keine drei Kreuze, sondern schrieb in riesigen Buchstaben IDA DUNKOVÁ darunter und bestaunte dann stolz ihren Namen und

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