Mach mal Feuer, Kleine - Roman
das Geld, das sie im Gegenzug erhielt. Das Geld musste für alle reichen, weil nur ihre Schwester Majka arbeitete, aber das Mittagessen bekamen die Kinder in der Schule umsonst, und die Kleidung erbten sie von ihren älteren Geschwistern. Nur wenn es ganz arg wurde, holte die Tante Anetka, Tibor und noch ein paar Nachbarskinder dazu und zog mit der ganzen Horde aufs Amt, wo die Kinder hungrig dreinschauten und Ida jammerte, dass sie kein Geld hätte, um Kohlen oder Essen zu kaufen. Nur selten kehrten sie mit leeren Händen zurück.
Als in der Schule bekannt wurde, dass Andrejko aus Poljana eine Geige mitgebracht hatte, stöberten die Lehrer alle Schränke durch und legten einen ganzen Haufen Noten, Tonleitern und Fingerübungen vor ihn auf den Tisch. Aber Andrejko konnte keine Noten lesen und seine Finger wollten ihm nicht mehr gehorchen, die Saiten schnitten in seine weichen Fingerkuppen wie glühende Messer in einen Butterklumpen, auch das Handgelenk tat weh, aber er renkte es immer wieder zurecht, und nach ein paar Wochen liefen auch die Finger richtig. Er spielte Lieder aus dem Radio nach, und manchmal passierte es, dass ihn die Melodien zum Träumen verführten und er sich auf einmal in Poljana wähnte, dann klopfte ihm der alte Demčak auf die Schulter, ohne Noten kann man leben, sagte er, aber ohne das, was du in dir hast, kann man nicht spielen …
Eines Abends schaute ein Nachbar bei ihnen vorbei, er hielt seine Gitarre in der Hand und fragte nach dem kleinen Fiedler. Später kam noch einer mit Akkordeon und einer Flasche Marillenschnaps dazu, und man spielte und sang bis zum |147| Morgengrauen. Und ein paar Tage später trafen sie sich wieder. Für diese Abende brachte Majka Bier mit von der Arbeit, sie hatte sich spezielle Taschen in das Mantelfutter eingenäht, damit die Flaschen nicht klirrten, wenn sie die Brauereipforte passierte. Bisweilen ging es so lustig zu, dass der Gitarrist und der Akkordeonspieler zu spät zur Arbeit kamen. Andrejko hielt sich zurück, seine unsicheren Finger verliefen sich manchmal auf dem Griffbrett, und man hörte den Bogen kreischen, als hätte Andrejko einer Katze auf den Schwanz getreten. Dann hielt sich Majka die Ohren zu:
Sar te muterďahas pre taťi blacha
, als hättest du auf heißes Blech gepisst! Aber dann wieder gelangen ihm ein paar Verzierungen und Schnörkel, und da hob Majka die Arme in die Höhe und klatschte in die Hände oder sie blieb sitzen und schlug rhythmisch mit einem Teelöffel gegen ein leeres Marmeladenglas. Die Männer grölten, sie sangen mit ihren heiseren Stimmen mit und klopften sich auf die Schenkel. Sie hätten auch gerne getanzt, vor lauter Freude, dass sie auf der Welt waren und dass es ihnen gut ging, aber sie taumelten mehr, als dass sie tanzten. Auch die kleine Anetka hüpfte umher, bis man sie in die Mitte schob und mit Klatschen und Zurufen anfeuerte. Das Mädchen schleuderte graziös ihre Hausschuhe weg, wie sie es bei den Erwachsenen abgeschaut hatte, und ihre nackten dünnen Beine schwebten über den Dielen, als berührten sie den Boden nicht.
Nur Ida tanzte nicht. Sie sang auch nicht. Sie saß nur da, trank und Tränen liefen ihr die Wangen herunter …
Die übermüdeten Kinder holten den fehlenden Schlaf in der Schule nach, Anetka versank in Träumen, in denen sie sich im rosa Kleid und mit einer roten Rose im Haar sah. Ihr Kopf fiel immer wieder vornüber, schlug auf die Tischplatte, und die anderen Kinder lachten über das dumme Zigeunermädchen, das nicht einmal richtig sitzen konnte.
|148| 12.
Eines Abends klingelte es an der Tür, Andrejko machte auf und sah einen abgeschabten Koffer und daneben eine seltsame Gestalt. Der Mann trug nur ein speckiges Unterhemd, war leicht gebeugt, aber kräftig, mit kurz geschorenen Haaren und tätowierten Oberarmen, auf denen riesige haarige Spinnen prangten. Erst als er den Mund aufmachte, erkannte Andrejko Onkel Štefan. Der Onkel hatte zwar seinen Haarschopf nicht mehr, dafür aber ein Doppelkinn, und marschierte nach alter Gewohnheit sofort in die Wohnung hinein. Dort geriet er an Majka, die ihn nicht hereinlassen wollte, er schrie sie an und beschimpfte sie unflätig. Im Treppenhaus gingen die Türen auf, Herr Hajšman von gegenüber kam herbei, ebenso wie die beiden Musiker, die nach ihrer Schicht ausschlafen wollten und von Štefans Geschrei geweckt geworden waren. Mit sauren Mienen und verschränkten Armen pflanzten sie sich neben Majka auf, und erst da hörte der Onkel
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