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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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breitbeiniger Stand. Schießbereit. Kurz bevor Thomas ihm auf die Schulter tippte, feuerte er einen Schuss ab. Eine Neun. Gar nicht so übel.
    Sie schüttelten sich die Hand. Ljunggren schien sich aufrichtig zu freuen. Klopfte ihm auf den Rücken. Gar nicht seine Art – normalerweise scheute er Körperkontakt noch mehr als dummes Geschwätz. »Hast du gerade meine Neun gesehen, die ich abgefeuert hab?«
    Thomas freute sich. »Nicht schlecht. Kommt auch nicht gerade oft vor, dass du Topppunkte erzielst, oder?« Lautes kameradschaftliches Lachen.
    Sie unterhielten sich eine Weile. Alles war wie immer.
    Thomas stellte sich an seinen Stand. Setzte die Kopfhörer auf. Schob das Magazin in die Neunmillimeterpistole. Schloss für ein paar Sekunden die Augen. Atmete ein. Jetzt war Konzentration angesagt. Auch wenn sein Berufsleben sich nicht so entwickelt hatte, wie er es sich vorstellte, musste er sich jederzeit im richtigen Augenblick konzentrieren können. Einen vernünftigen Schuss abgeben, wenn es nötig war. Das Ziel im richtigen Körperteil treffen.
    Er hob langsam den rechten Oberarm an. Hielt die Pistole so ruhig wie nur möglich. Das Auge suchte nach der Kimme. Brachte sie in eine Linie mit dem Korn. Immer noch leichtes Zittern. Er entspannte sich. Die Sichtachse soweit klar. Vorsichtig jetzt. Konzentration. Er erhöhte langsam den Druck auf den Abzug. Vermied Zuckungen im Arm, in der Hand, der Pistole. Kniff die Augen zusammen. Der Finger agierte wie von selbst. Es war wichtig, während der Bewegung, die er gleich ausführen würde, das Bewusstsein auszuschalten. Stetig den Druck zu erhöhen. Eine einzige Bewegung. Im Einklang mit dem Korn, der Flugbahn des Projektils durch die Luft, spürte er bereits den Rückstoß, sah das Loch des Geschosses in der Zielscheibe.
    Der Schuss kam überraschend. Er nahm den Ruck, der durch die Hand ging, nahezu mit Erstaunen wahr. Blinzelte, sah das Loch in der Scheibe: eine Zehn. Ljunggren sagte: »Obwohl du dich den ganzen Tag lang nur mit Verkehrssündern rumschlägst, scheinen gewisse Dinge ja immer noch zu sitzen. Ich hab dich vermisst, mein Lieber.«
    Thomas wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Es fühlte sich so verdammt gut an.
     
    Nach dem Schießtraining schlug Thomas vor, noch auf ein Bier ins Friden zu gehen. Ljunggren hatte einen anderen Vorschlag: »Wollen wir nicht einfach ’n bisschen rumfahren? So wie früher.«
    Es war irgendwie merkwürdig, aber schön. Ljunggren: das Über-Ich der Introvertiertheit. Der Abstandsmann, Nichtkörperkontaktspezialist, Machotyp Nummer eins. Sein Vorschlag: ein einfühlsames Entgegenkommen. Eine Freundschaftsbekundung.
    Polizisten benutzten meistens den Dienstwagen, um zum Schießtraining zu fahren. Ljunggren schaltete den Polizeifunk ein, allerdings auf niedrige Lautstärke. Thomas konnte sein Verhalten nicht deuten: Möglicherweise wollte er einfach nur das spezielle Gefühl herstellen. Er fuhr langsam, als wären sie draußen vor Ort im Einsatz. Sie befanden sich in einem Villenviertel. Die Blätter an den Bäumen waren verwelkt. Trotz des Regens war der Sommer warm gewesen. Typisches Septembergefühl – vielleicht, weil es September war.
    Sie gondelten umher – genau wie früher. Vor über drei Monaten. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Eine Ewigkeit voller böser Ahnungen. Ahnungen, dass alles den Bach runtergehen würde.
    »Erzähl doch mal: Wie sind die Verkehrsmemmen denn so?«
    Thomas klärte ihn auf. Über ihre Gesprächsthemen, ihre Art, ihre Essgewohnheiten. Ljunggren grinste. Endlich jemand, der ihn verstand.
    »Ich hab Gerüchte über dich gehört, Andrén. Dass du nebenher jobbst. Stimmt das?«
    Thomas wusste nicht, was er antworten sollte. Wie viel wusste Ljunggren? Im Moment war nicht der geeignete Zeitpunkt, um alles zu erzählen.
    »Ja, stimmt. Ich helf in ’nem Sicherheitsunternehmen aus. Oftmals abends und nachts. Also fast so wie früher. Åsa ist es ja gewohnt.«
    Ljunggren nickte. Den Blick auf die Straße gerichtet.
    »Ich wette, dass du dort besser bezahlt wirst.«
    Thomas lachte auf. »Und ich wette, dass du ’ne bessere Kranken- und Rentenversicherung hast, als man dort je bekommen würde. Mein neuer Job ist, was das betrifft, völlig außen vor.«
    »Das hab ich vermutet. Und ist er es wert?«
    Thomas dachte einen Augenblick nach. Die Frage hatte ihn selbst mehrere Wochen lang beschäftigt. Doch da schien Ljunggren noch nicht einmal zu wissen, womit er sich tatsächlich

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