Mach sie fertig
bisschen plemplem im Kopf.
Sie diskutierten über die Ausbildung, die Vorlesung, das allgemeine Weltgeschehen. Niklas hielt überwiegend die Klappe. Trank ein, zwei, drei, vier, fünf Flaschen Bier. Die Typen kritisierten die Invasion der USA im Irak heftig. Quatschten von Übergriffen, verbotenen Waffen und Freiheitskämpfern, die Bombenattentate verübten. In ein paar Tagen würden sie an einer Großdemo gegen den Krieg teilnehmen. Arme Irre – sie wussten nicht, wovon sie redeten.
Um neun Uhr gingen sie runter in eine größere Hütte direkt gegenüber dem Speisesaal. Sie sah aus wie eine Art Gemeinschaftshaus. Um die zwanzig Leute saßen dort auf Sofas und in Sesseln, ein paar von ihnen versuchten halbherzig zu tanzen. Dieselbe plärrende Musik. Dasselbe Öko-Gefühl. Dieselben albernen Diskussionen.
Er begann, die Biere zu merken. Felicia in eine pseudomäßige Diskussion mit einem Typen vom Vorfest vertieft. Joanna tanzte für sich allein. Er dachte: Was war das hier eigentlich für ein Scheiß? Er musste Felicia schließlich auf seine Sache einschwören, aber sie schien sich nicht zu kümmern.
Alle um ihn herum redeten. Es roch etwas süßlich nach Marihuana. Er trank noch mehr Bier. Versuchte, sich entspannt zu geben. Der Typ von der Vorlesung tauchte auf. Die Ringe in seinen Ohren glänzten in der schummrigen Beleuchtung des Raums. Niklas ging auf ihn zu. Der Typ stand da und unterhielt sich mit einer Braut, die ausnahmsweise ganz normal aussah. Er gesellte sich zu ihnen. Neigte den Kopf ein wenig, um zu hören, was sie sagten. Irgendwas über Aktionen, Demos, Proteste. Ersteres klang ganz okay.
Der Typ unterbrach das Gespräch. Wandte sich Niklas zu. Zuerst: vollkommen verständnisloser, irritierter Blick. Dann streckte er seine Hand vor. »Hej, Erik heiß ich. Bist du hier zu Gast?«
Niklas schüttelte Eriks Hand. Stellte sich als Johannes vor. Der Typ hatte einen festen Händedruck. Ein gutes Zeichen.
»Ja, ich bin bei Felicia zu Besuch, kennst du sie?«
Das Mädel, mit dem Erik gesprochen hatte, hörte nicht auf, Niklas anzustarren.
»Ja natürlich, ich besuch denselben Kurs wie sie, nur für ’n ganzes Jahr. Woher kennt ihr euch?«
Niklas wusste nicht, was er antworten sollte. Internet klang so dämlich. Er murmelte irgendeine Antwort.
Erik fragte: »Was hast du gesagt?«
Niklas sprach lauter. »Ich bin hier, um mit ihr über die Frauenbewegung und so zu reden. Wie denkst du darüber?«
Erik lachte laut auf. »Kommt drauf an, wie man Frauenbewegung definiert.«
Das Mädel glotzte immer noch. In dem Moment, als Niklas antworten wollte, streckte sie auch die Hand vor. »Hej, ich sollte mich vielleicht vorstellen. Ich heiß Betty.«
»Wie das schöne Fräulein Boop?« Niklas dachte an die aufgemalten Bilder auf manchen Hubschraubern da unten. Echte Pin-up-Bilder wurden nicht mehr geduldet, aber Betty B. war okay.
Das Mädel verzog den Mund. Offenbar eingeschnappt.
Niklas kapierte das Ganze nicht. Durfte man hier etwa nicht mal einen Witz reißen? Doch er wollte die Situation mit Erik nicht kaputtmachen.
»Ist dein Humor ein Teil der Frauenbewegung?«, fragte Erik.
»Äh, war nur ’n blöder Scherz. Einfach so. Aber willst du wirklich, dass ich die Frauenbewegung näher definiere? Ich steh da total hinter.«
»Das klingt gut. Denn das tu ich auch.«
Niklas hatte ein gutes Gefühl. Erik war möglicherweise die richtige Person.
»Ich glaub, dass wir Männer ihnen helfen müssen. Die Frauen stehen zu schutzlos da und können sich nicht verteidigen. Ich hab die ganze Scheiße um uns herum hier in Schweden wieder gesehen. Auf den Straßen, in den Häusern und Wohnungen. Andauernd finden irgendwelche Übergriffe statt. ’ne Menge Erniedrigung und Gewalt. Die Frauenbewegung muss unbedingt vorangebracht werden.«
»Ja, so ist es wohl.«
»Wir müssen kämpfen.«
Erik wirkte nachdenklich. »Seh ich auch so. Aber wie genau meinst du das?«
»Na ja, so wie ich’s gesagt hab, wir müssen zum Angriff übergehen. In gewissen Situationen ist eine offensive Strategie die einzige Möglichkeit, sich zu verteidigen. Und es wird nie zum Krieg kommen, wenn wir immer nur ’ne defensive Position einnehmen. Verstehst du? Wir müssen uns der Methoden des Feindes bedienen. Gewalt ist immer noch das beste Gegenmittel gegen Gewalt.«
Niklas kam in Fahrt. Endlich jemand, der auf seiner Seite stand. Jemand, mit dem er offen reden konnte. Jemand, der es kapierte. Nach all diesen Abenden und Nächten.
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