Mach sie fertig
Sie war nicht gerade zierlich – ihr Arsch war so groß wie ganz Saudi-Arabien. Sie hatte grüne Augen und um den Hals ein schmales goldenes Kreuz hängen. Verdammt, er bekam wieder diesen Metallgeschmack im Mund.
Mahmud folgte Erika in ihr Zimmer. Dort drinnen: Die Jalousien verwandelten das Licht in Streifen. Plakate an den Wänden. Der Schreibtisch mit Papieren, Ordnern und Kunststoffheftern übersät. Wie viele Leute betreute sie eigentlich?
Jeder in einem Sessel. Ein kleiner Tisch zwischen ihnen. Die Sesselbezüge sahen genoppt aus. Er lehnte sich zurück.
»Also Mahmud, wie geht es Ihnen?«
Mahmud wollte nur, dass es möglichst schnell ging. Gab sich Mühe mit der Sprache.
»Mir geht’s gut. Alles bestens.«
»Schön. Und wie geht es Ihrem Vater. Beshar, so heißt er doch, oder?«
Mahmud wohnte immer noch zu Hause. Das war beschissen, aber die Rassisten von Hauswirten hatten natürlich Vorbehalte gegen einen farbigen Ex-Knasti.
»Ihm geht’s auch gut. Obwohl es natürlich nicht gerade prickelnd ist, bei ihm zu wohnen. Aber das wird schon.« Mahmud wollte das Problem herunterspielen. »Ich bin auf Jobsuche und hatte diese Woche schon zwei Vorstellungsgespräche.«
»Na, das ist ja toll! Ist Ihnen etwas angeboten worden?«
»Nein, sie wollten sich wieder melden. Das sagen sie ja immer.«
Mahmud musste an das letzte Vorstellungsgespräch denken. Er war ganz bewusst nur mit ’nem Unterhemd am Oberkörper hingegangen. Die Tätowierungen waren deutlich zu sehen. Der Text:
Trau keinem außer dir selbst
auf dem einen Arm und
Alby Forever
auf dem anderen. Die Tattoos sprachen ihre eigene aggressive Sprache: Wenn du Ärger machst – kriegst du ’n Riesenproblem. For real.
Wann würde sie es kapieren? Kein Job würde daherkommen und ihm die Freiheit nehmen. Er war nicht gemacht für ein Neun-bis-fünf-Uhr-Leben, das hatte er schon gewusst, als er als kleiner Junge nach Schweden kam.
Sie betrachtete ihn. Zu lange.
»Was haben Sie denn da an der Wange?«
Die absolut falsche Frage. Gürhans Ohrfeige hätte seiner Wange normalerweise nichts weiter anhaben können – doch der Kerl hatte einen fetten Siegelring am Finger getragen. Hatte ihm das halbe Gesicht aufgerissen. Die Wunde war mit einem Heftpflaster überdeckt. Was sollte er sagen?
»Ach nichts. Hab ein wenig mit ’nem Kumpel geboxt, Sie wissen schon.«
Nicht gerade die beste Erklärung, aber vielleicht würde sie sie ihm abkaufen.
Erika schien nachzudenken. Mahmud richtete seinen Blick durch die Jalousien nach draußen. Versuchte, unbeteiligt zu wirken.
»Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes, Mahmud. Sonst müssen Sie es mir auf jeden Fall sagen. Ich kann Ihnen helfen, verstehen Sie?«
Mahmud innerlich ironisch: Ja klar, Sie können mir ganz bestimmt helfen.
Erika wechselte das Thema. Redete weiter. Erzählte von einem Programm für Arbeitssuchende, das von der Arbeitsmarktbereitschaftsarbeitslosenversicherung oder so organisiert wurde. Für Leute wie ihn. Mahmud schaltete seine Ohren auf Durchzug. Dank langjährigem Training. Nach allen möglichen Gesprächen mit Vormunden, Besuchen bei Sozialarbeiterinnen und Verhören mit den Bullen funktionierte es. Er war der Experte aller Experten darin, seine Ohren dichtzumachen, wenn es nötig war – und dabei immer noch interessiert auszusehen.
Erika redete weiter. Bla, bla, bla. So laaangweilig.
»Mahmud, hätten Sie nicht Interesse daran, irgendeine Ausbildung im Bereich Körperpflege zu machen? Sie trainieren doch ziemlich viel. Darüber haben wir uns ja schon unterhalten. Wie läuft es denn übrigens damit?«
»Tja, ziemlich gut. Ich fühl mich wohl im Studio.«
»Und Sie verspüren niemals die Versuchung, wieder mit dem, na, Sie wissen schon, anzufangen?«
Mahmud wusste, was sie meinte. Erika griff das Thema jedes Mal auf. Er musste es einfach über sich ergehen lassen.
»Nein, Erika,
mit dem
hab ich aufgehört. Wir haben doch schon hundert Mal darüber gesprochen. Es funktioniert genauso gut mit fettfreiem Hühnchen, Thunfisch und Proteindrinks. Ich brauch keine illegalen Sachen mehr.«
Unklar, ob sie ihm überhaupt zuhörte. Sie schrieb irgendwas auf ein Papier.
»Darf ich eine andere Frage stellen? Mit wem haben Sie tagsüber Kontakt?«
Das Treffen begann sich in die Länge zu ziehen. Der eigentliche Zweck dieser Scheiße: ein kurzes Gespräch, bei dem er Probleme äußern konnte, die im Zusammenhang mit seiner wiedererworbenen Freiheit entstanden. Über sein eigentliches
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