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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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er Müsli und Knäckebrot aufbewahrte. Unter den Pizzakartons, Joghurtbechern, Plastiktüten. Er konnte sie nicht entdecken. Die Wohnung war gesichert.
    Es musste der Traum gewesen sein, der ihn geweckt hatte. Irgendwie intensiver als letztes Mal. Zuerst die Moschee da unten. Zersplittertes Glas von den Fenstern und zerrissene Gebetsteppiche. Der typische Irakgeruch von faulendem Müll und Kloake. Dann Szenenwechsel. Zurück in Schweden, allerdings vor zwanzig Jahren. Mama, wie sie von Claes gegen die Wand gestoßen wurde. Ein Bild, das vom Haken rutschte. Sie fiel. Kopfüber. Blieb liegen. Niklas beugte sich runter, ergriff ihren Arm. Zog, riss. Er schrie. Brüllte. Aber es kam kein Ton heraus.
    Niklas zog sich an. Er linste durch die Jalousien. Die Dunkelheit draußen war undurchdringlich. Es war halb acht Uhr. Der Tag heute würde hektisch werden.
    Er aß Joghurt. Kochte sich zwei Eier. Exakt vier Minuten. Weichgekocht, aber nicht zu weich.
    Er setzte sich ins Zimmer. Inspizierte die Beretta. Heute Abend würde er den Schalldämpfer benutzen. Nahm den schwarzen Metallzylinder zur Hand, den er ebenfalls im Black & White Inn erstanden hatte. Schraubte ihn auf, schraubte ihn wieder ab. Zielte probehalber aufs Fenster. Wog die Waffe in der Hand. Zog sich die Jacke an. Steckte die Pistole in die Innentasche. Zog sie wieder hervor und führte einen kompletten Ladevorgang durch. Wiederholte das Ganze. Schnell, schneller, am schnellsten. Er würde aus unmittelbarer Nähe schießen müssen und Hollow-Point-Munition benutzen, um den abschwächenden Effekt des Schalldämpfers auszugleichen.
     
    Er dachte an Nina. Es stand fest, dass eine besondere Verbindung zwischen ihnen existierte. Sie benötigte seine Hilfe. Neulich, als er im Auto vor ihrer Tür gesessen hatte, war sie plötzlich herausgekommen. Ganz allein. Niklas’ erster Gedanke war gewesen: Wo ist das Kind? Er stieg aus dem Wagen. Beobachtete sie. Fünfzehn Meter entfernt. Sie schien ihn nicht zu sehen.
    Nina: trug einen weißen Mantel mit schwarzem Gürtel. Hochgeklappter Kragen wie eine coole Geheimagentin. Blaue, enganliegende Hosen und schwarze Lederstiefel mit niedrigem Absatz. Auf dem Kopf: eine rote Strickmütze, die sie nachlässig aufgesetzt hatte. Er konnte seinen Blick nicht von ihr lassen. Ihre Ausstrahlung erfasste ihn wie ein Sandsturm da unten.
    Sie ging geradewegs auf ihn zu, schien ihn aber nicht zu erkennen. Dann ging es ihm auf: Sie wollte nicht zeigen, dass sie ihn kannte. Ganz klar. Sie wusste, dass er sie durchschaut hatte. In ihrem traurigen Blick hatte er gelesen, wie sie sich fühlte. Wie sie behandelt, erniedrigt wurde.
    Niklas blieb regungslos stehen. Ninas Blick war stur geradeaus gerichtet. Entschlossene Schritte. Den Anflug eines Lächelns auf den Lippen.
    Drei Meter noch. Ihre Handtasche wippte im Takt mit ihren Schritten.
    Zwei Meter noch. Er stand noch immer still da. Sein Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft.
    Einen Meter noch. Er musste etwas sagen, sie antippen. Sie ging an ihm vorbei. Ein Hauch ihres Parfüms. Sie streifte ihn fast. Beinahe.
    Er rief ihr hinterher: »Nina!« Zugleich dachte er: Was soll ich nur sagen?
    Nina drehte sich um. Einen Meter entfernt. Verwundert. Mit fragendem Blick. Sie erkannte ihn offensichtlich nicht wieder. Lächelte dennoch höflich.
    »Erkennen Sie mich nicht mehr? Ich hab doch letztens Ihr Auto gekauft, den Audi.«
    Ninas Lächeln wurde intensiver. »Ach, stimmt ja. Wir haben uns doch auch in der Tankstelle getroffen.« Sie schielte zu seinem Wagen rüber. »Haben Sie ihn nicht mehr?«
    Niklas wusste nicht, was er antworten sollte. Er wollte sie nicht enttäuschen.
    »Doch, aber ich hab mehrere Autos.« Er versuchte zu lachen, aber es war, als ob ihm das Lachen irgendwo im Halse steckenblieb.
    Nina schien es nicht zu merken.
    »Aha, wohnen Sie hier in der Nähe?«
    Noch eine Frage, die er nicht beantworten konnte.
    »Nein, ich bin nur auf der Durchreise.« Was für eine Antwort. Sie klang absolut dämlich. »Durchreise«, was sollte das denn heißen?
    »Aha. Nett, Sie wieder zu treffen. Wir scheinen uns ja in regelmäßigen Abständen über den Weg zu laufen; dann sehen wir uns bestimmt bald wieder.« Sie drehte sich um und machte Anstalten weiterzugehen. Doch Niklas spürte ihn wieder. Ihren Blick. Diese Traurigkeit, die sie umgab. Das Gefühl von Ohnmacht. Erniedrigung. Quälender Unterdrückung. Er musste ihr helfen. Sie war so wunderschön.
    »Nina, warten Sie eine Sekunde.«
    Sie

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