Mach sie fertig
sprach kein Schwedisch. Dejan versuchte zu übersetzen, stellte sie als Schminktussi vor. »Heute Abend ’ne Riesenlieferung ansteht. Alle zur selben Adresse gebracht werden sollen.«
Mahmud schiss drauf, wohin. Seinetwegen konnten sie so ausufernde Hurenpartys feiern, wie sie wollten. Hauptsache, er kam pünktlich weg.
Einige Minuten später tauchte ein Hummer auf. Zwei Männer stiegen aus. Mahmud konnte es selbst durch die dreckigen Scheiben des Wohnwagens sofort erkennen – das waren nicht irgendwelche Jugos oder Kunden. Das waren Ultraschnösel. Er erkannte sogar einen von ihnen wieder: Jet-Set-Carl. Der Typ, dem eine Menge Clubs gehörten, der die luxuriösesten Partys schmiss, die fetteste Kohle absahnte. Der Typ, der Gerüchten zufolge schon mehr Bitches auf Stureplan flachgelegt hatte, als Mahmud in seinem ganzen Leben je gesehen hatte. Eine Legende. Der König unter den Snobs. Ein Machtfaktor selbst unter den Schweden. Mahmud fragte sich, was der Typ hier zu suchen hatte.
Mahmud stellte die Musik aus. Rückte näher ans Fenster ran. Sah, wie die Huren in den Wohnwagen stiegen, in dem sich Dejan und die Russin aufhielten. Er wartete. Die Mädchen kamen eins nach dem anderen wieder raus. Schließlich: Alle zwanzig waren fertig. Geschminkt, gestylt, aufgedonnert für den Fick. Sie gingen zurück zu ihren jeweiligen Wohnwagen. Der Jet-Set-Typ stand mit seinem Kompagnon da und rauchte. Beigefarbener Dreiviertelmantel, dunkelblaue Jeans, buntes Halstuch. Dünne Halbstiefel aus Mokkaleder. Die Frisur geleckt wie ’n Katzenpelz. Sie beäugten das Prozedere.
Nach vierzig Minuten waren alle Bräute fertig. Die Zeit stand still. Mahmud starrte aus dem Fenster. Gaffte. Spionierte.
Dejan ging rum und klopfte an die Türen aller Wohnwagen. Die Bräute kamen raus. Superkurze Röcke, enganliegende Tops, Strumpfbandhalter, hochschaftige Stiefel, Absätze, dünne Schals leger um den Hals geschlungen. Mehr Schmuck als gewöhnlich. Stärker rausgeputzt, als Mahmud sie je zuvor gesehen hatte.
Sie stellten sich in der Kälte auf. Achtzehn an der Zahl. Wie auf einem verdammten Pferdemarkt. Jet-Set-Carl und sein Kompagnon gingen die Reihe ab. Begutachteten die Mädchen eins nach dem anderen. Maßen sie mit strengem Blick. Inspizierten sie ausgiebig. Quatschten, diskutierten, gaben ihr Urteil ab.
Nach zehn Minuten. Sie, sie und sie, und so weiter. Jet-Set-Carl zeigte auf zwölf der Mädchen. Die Auserwählten.
Dejan und die Russin verfrachteten sie in den Lieferwagen und ein weiteres Auto. Jet-Set-Carl genehmigte sich noch eine Zigarette. Der Rauch war deutlich zu sehen.
Mahmud dachte: eine Riesenlieferung. Er wusste nicht mal, wo sie überhaupt hinsollten.
Er konnte die Gedanken nicht abschütteln. Noch zwei Stunden bis zur Ablösung. Schiss drauf, seine Musik wieder anzustellen. Verzichtete drauf, Tom im Hinblick auf ihre Pläne für den Abend eine SMS zu schicken. Mahmud: nicht gerade jemand, der was gegen Huren hatte. Verdammt, es handelte sich ja um das älteste Gewerbe der Welt und so. In seiner Heimat nahmen die Väter ihre Söhne am achtzehnten Geburtstag mit zu einem Einführungsfick in Bagdads heruntergekommene Rotlichtviertel. Es war eine gute Vorbereitung, eine Art Lektion. Junge Typen mussten die Chance bekommen, sich abzureagieren. Aber dennoch: Ihm war das Ganze irgendwie zuwider. Die Mädels in den Wohnwagen wurden wie Gegenstände behandelt. Stellten sich im Internet zur Schau wie verdammte Spielzeugpuppen. Mal ehrlich, wie konnten Männer auf Bräute abfahren, die selber überhaupt keine Lust auf Sex hatten? Das war doch irgendwie krank.
Er sah raus über den Parkplatz. Alles ruhig. Fragte sich, ob die Mädels, die nicht ausgesucht worden waren, eher froh oder enttäuscht waren.
Sein Handy klingelte. Unbekannte Nummer. Zuerst hatte er vor, drauf zu pfeifen und nicht ranzugehen. Dann dachte er: Ich muss irgendwie von diesen beschissenen Gedanken loskommen. Also konnte er ebenso gut hören, wer dran war.
Als er das Handy ans Ohr hielt, beschlich ihn ein merkwürdiges Feeling. Ein Gefühl, als würde sich was Großes anbahnen. Das Klingeln verursachte ein Kribbeln in der Magengegend, war wie eine Botschaft: Dieses Gespräch würde sein Leben verändern.
»Mahmud hier.«
»Hallo Mahmud, ich bin ’n Kumpel von deinem Kumpel Javier.«
Mahmud kannte die Stimme nicht. Aber der Akzent sagte ihm was. Latino. Klang ungefähr wie Javier auch. Nach all den Jahren im Megaghetto kannte Mahmud sich mit
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