Mach sie fertig
Büroratte. Zugleich: Thomas hätte sich vorstellen können mitzuhelfen.
Später am Abend: Zeit für ein bisschen Realität – tatkräftiges Durchgreifen, also: Streife fahren. Thomas stand im Umkleideraum vor seinem Spind. Bereitete sich auf eine Nachtschicht im Streifenwagen mit Ljunggren vor. Trotz aller Routine, allen ereignislosen Stunden, zähem Warten – wenn etwas passierte, dann beim Streifefahren. Thomas freute sich jedes Mal auf die Schicht. Das Knistern im Funkgerät, das übereinstimmende Grinsen, wenn sie einen Job verweigerten und es sich stattdessen im Wagen gemütlich machten. Und dann, von Zeit zu Zeit, wenn es knallte, dann knallte es richtig.
Ljunggren war noch nicht aufgetaucht. Sie hatten über den Vorfall von neulich im Leichenschauhaus noch nicht miteinander gesprochen. Thomas freute sich darauf, über den Fall zu diskutieren. Ljunggrens Überlegungen zu hören. Er fragte sich, wo er blieb, Ljunggren kam normalerweise nie zu spät.
Thomas zog sich langsam an. Wie ein Ritual. Die M 04 -Jacke und die Hosen für draußen: dunkelblauer dicker Stoff aus Aramidfasern. Feuchtigkeitsabweisend, feuerbeständig, Fixer-mit-dreckigen-Fingernägeln-bewährt. Thomas mochte sie eigentlich nicht – die Reflektoren über der Brust waren idiotisch, die Jacke wirkte durch den fehlenden durchgehenden Reißverschluss sackartig, und das raschelnde Geräusch beim Gehen erinnerte eher an einen Skianzug. Die alte Uniform war besser gewesen.
An seinem Gürtel klapperte es wie in ’nem Werkzeugkasten: der Teleskopschlagstock in seiner Halterung, Handschellen, Funkgerät, Pfefferspray, die Halterung für den Helm, die Halterung für den alten Schlagstock, Schlüsselbund, ein Leatherman, das Halfter. Mindestens zehn Kilo an Ausrüstung.
Er sah die Leiche vor sich. Die Einstichlöcher. Die reingewaschenen Wunden in dem Gesicht, das kein Gesicht mehr war. Das Fußkärtchen am großen Zeh. Die bleiche, bläulich verfärbte Haut, die nahezu wachsartig aussah. Eigentlich kapierte er nicht, warum er diesen Fall nicht aus dem Kopf bekam.
Eins war klar: Er musste etwas unternehmen. Gemeinsam mit Hägerström oder ohne ihn. Andererseits – warum sollte er sich da reinhängen? Es war nicht seine Berufung, die Welt zu retten. Nicht seine Aufgabe, über die Dienstvorschriften hinaus zu agieren und überpenibel zu sein. Nicht sein Ding, andere Bullen hochgehen zu lassen. Sein Engagement war überflüssig. Er musste aufhören nachzudenken. Stattdessen mit seinen eigenen kleinen Deals weitermachen. Sich darum kümmern, dass er hier und dort ein paar Kronen einkassierte.
Er nahm die Pistole aus dem Waffenschrank. Sig-Sauer P 229 , halbautomatisch, 9 Millimeter. Acht Patronen. Die Pistole vollständig aus mattschwarzem Metall mit geriffeltem Handgriff. Klein – aber immerhin besser als die alte Pistole, die Walter. Alle in Söderort kannten Thomas’ Position in dieser Frage. Vor einigen Jahren war ein Aufruf unter den Inspektoren herumgeschickt worden: Allen Polizeiinspektoren mit gültiger Lizenz sollte es gestattet werden, ihre eigene Waffe zu tragen. Vernünftige Waffen wie die Colt . 45 . Thomas’ Name hatte ganz oben auf der Liste gestanden. Selbstredend. Mit der Walter warst du gezwungen, voll draufzugehen, allerdings stoppte das einen durchgeknallten Speedfreak, der mit ’ner Axt auf dich zustürmte, ebenso wenig wie ’n Pusterohr. Wie endete das Ganze? Mit einem, zwei, drei Schüssen in die Brust. Woraufhin der Polizist die Schuld bekam, weil das Aas zufällig abkratzte. Gib der Polizei vernünftige Waffen, so dass sie einen bedrohlichen Kriminellen unmittelbar unschädlich machen kann, mit einem Schuss in die Beine. Dann würden viel weniger von ihnen ins Gras beißen. Aber die jetzige Sig-Sauer war zweifellos ein Fortschritt. Die Patrone weitete sich im Gewebe aus – expandierte bei einem Treffer. Perfekt.
Wo zum Teufel blieb nur Ljunggren? Thomas war fertig angezogen, energiegeladen. Bereit für eine Tour draußen im realen Leben. Er nahm den Hörer des Haustelefons zur Hand, das an der Wand neben den Spinden hing.
Katarina, die verantwortliche Koordinatorin für den heutigen Abend, meldete sich.
»Hallo, Andrén hier. Weißt du, wo Jörgen Ljunggren steckt?«
»Ljunggren musste für Fransson einspringen. Wir lassen stattdessen Cecilia Lindqvist mit dir fahren. Sie ist bereits unterwegs. Müsste in ein paar Minuten da sein.«
»Sorry, wenn ich fluche, aber wer zum Teufel ist Cecilia
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