Machen Sie das Beste aus Ihrem Kopf
Mittel, das nachweisbar die Lern- und Gedächtnisleistung bei Gesunden gezielt steigert, noch nicht auf dem Markt. Die Fähigkeit des Gehirns, sich immer wieder auf neue Bedingungen einstellen zu können, zu lernen und sich ein Leben lang verändern zu können, spornt aber viele Forscher an, Präparate zu entwickeln, die gezielt die geistigen Funktionen beeinflussen und Leistung steigernde und Gedächtnis fördernde Wirkung haben. Die Suche nach Wirkstoffen, die die Lern-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozesse bei Gesunden verbessern, wird mit großer Intensität betrieben. Für die Pharmaindustrie wäre es ein riesiges Geschäft. Phillip Campbell, der Chefredakteur des Fachmagazins »Nature«, und weitere Forscher fordern, dass Medikamente zur Steigerung der mentalen Leistungskraft legalisiert und frei verfügbar sein sollten. 6 Die Hoffnung, dass solche Präparate in den nächsten Jahren ebenso angepriesen und nachgefragt werden wie die heute überall erhältlichen Vitaminpillen, ist groß. Es wird mit sehr hohen Gewinnchancen durch die Entwicklung einer Art »Viagra« fürs Gehirn gerechnet. 7 Diese Prozesse können nicht gestoppt werden. Forschung lässt sich nicht verbieten und Fortschritt braucht Forschung. Eine breite öffentliche Diskussion über das Für und Wider und über ethische und moralische Aspekte der Entwicklung undLegalisierung von Mitteln zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit ist aber dringend nötig und längst überfällig.
Wo sind die Hauptursachen und die Auslöser für das gesteigerte Interesse an Substanzen zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit? Warum ist uns die Erhöhung der geistigen Leistungskraft so überaus wichtig? Warum sind wir nicht zufrieden mit dem, was wir können? Warum glauben wir, immer noch besser funktionieren zu müssen? Sicher ist ein Hauptgrund die Angst vor Versagen. Eng verbunden damit sind existenzielle Ängste. Wer nicht immer alles leisten kann, verliert unter Umständen nicht nur Anerkennung, sondern auch seine existenzielle Grundlage, den Arbeitsplatz. Ein Mittel zur Unterstützung kommt da gerade recht. Können wir dann aber noch die natürlichen Alarmsignale des Körpers bei Überschreiten der persönlichen Leistungsgrenzen bemerken? Verlieren wir möglicherweise die Fähigkeit, uns rechtzeitig vor Überforderung zu schützen? Der Chef der DAK bringt es im DAK-Gesundheitsreport 2009 auf den Punkt: »Wer für jede Situation eine Pille einnimmt, verlernt seine Probleme selber zu lösen.« 7
Die Leistung des Menschen ist nicht grenzenlos zu steigern. Das natürliche Bedürfnis nach Ruhe kann nicht einfach ausgeschaltet werden. Deshalb droht auch mit Leistung steigernden Mitteln irgendwann der Kollaps, wenn wir keine Rücksicht auf unsere natürlichen Grenzen nehmen. Pausenlos konzentriert, kreativ, belastbar, leistungsfähig und aktiv sein, das kann niemand. Permanenter Urlaubsverzicht, eine 60- bis 80-Stunden-Arbeitswoche, ständige Erreichbarkeit, auch in der Freizeit und im Urlaub, das alles ist auf Dauer zu viel. Da helfen die besten Pillen nicht.
Besteht vielleicht die Gefahr, dass sich die ohnehin schon hohen Erwartungen von Lehrern, Professoren und Arbeitgebern weiter erhöhen, wenn es Präparate zur geistigen Leistungssteigerung zu kaufen gibt? Werden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, auch nur vorübergehende, überhaupt noch akzeptiert? Vermutlich wird der Leistungsdruck weiter steigen. Die sich abzeichnende hohe Nachfrage nach Präparaten, die die geistige Leistungsfähigkeit erhöhen können, passt in eine Zeit mit andauernd steigenden Ansprüchen in nahezu allen Lebensbereichen. Nicht die Pillen sind das Problem, sondern die viel zu hohen Leistungsanforderungen in Beruf und Alltag. Ruhe und Erholung gelten nicht mehr viel. Dabei wünscht sich so manch einer nichts sehnlicher als ein bisschen Zeit für sich selbst und Erholung. Selbst in der Freizeit setzt sich nicht selten ein übertriebener Aktivismus fort. Viel zu viele Termine, ein Überangebot an möglichen Aktivitäten, das Streben nach Perfektion bei allem, was wir tun, Dynamik über alles, da bleibt nicht mehr viel Raum, die Seele einfach baumeln zu lassen. Wann haben Sie sich das letzte Mal genüsslich eine Zeit der Langeweile gegönnt? Für viele Menschen ist Langeweile inzwischen mit negativen Attributen besetzt. Dabei entfalten sich gerade in Zeiten des Nichtstuns oftmals die größten kreativen Potenziale. Es tut gut, ab und an einmal gar nichts zu
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