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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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aufzuschreiben, habe ich den Gewinn, den ich aus den Gesprächen gezogen habe, niedergeschrieben und ein Büchlein namens «De Principatibus» verfasst. Darin vertiefe ich mich, soweit es mir gegeben ist, in die Erörterungen zu diesem Thema und erwäge, was ein Fürstentum ist, welche Arten es davon gibt, wie man sie gewinnt, wie man sie erhält und warum man sie verliert. Und wenn ihnen jemals eines meiner Hirngespinste gefallen hat, so wird ihnen dieses nicht missfallen. Und einem Fürsten, vor allem einem neu an die Macht gelangten, sollte es wohl behagen; daher richte ich es an Herrn Giuliano de’ Medici.[ 9 ]
    Auch diese berühmte Passage ist voller Ironie. Marcello Virgilio Adriani, der gesinnungstüchtige Erste Kanzler, hätte es nicht weihevoller sagen können: Das Studium der klassischen Autoren läutert und veredelt den Menschen, im Umgang mit ihnen wird er geradezu neu geboren. Die Umkleide-Aktion, mit der alle Schlacken des Alltags abgeworfen werden, die Feierlichkeit der Zeugenbefragung, die humanitas, die Freundlichkeit und Gesprächsbereitschaft der antiken Helden: All das sind abgenutzte humanistische Gemeinplätze. Dass dann auch noch der fromme Dante als Vorbild bemüht wird, passt gut zur Inhaltsangabe des angezeigten «Büchleins», die an Harmlosigkeit nicht zu überbieten ist. Wer es nicht kennt, erwartet nach dieser Ankündigung eine trockene Abhandlung mit erhobenem moralischem Zeigefinger und ausgesprochen staatstragender Tendenz. Sonst könnte es wohl kaum dem menschenfreundlichen und nachgiebigen Giuliano de’ Medici zugeeignet werden.
    Vom Fürsten
    Schon der pompöse Titel der Schrift De principatibus («Von den Fürstentümern») ist ein sprachliches Täuschungsmanöver, das die Humanisten lächerlich machen soll. Lateinisch verfasst sind darüber hinaus nur noch die Kapitelüberschriften, der eigentliche Text aber ist im «Volgare» geschrieben, in der Volkssprache des toskanischen Italienisch. Das ganze Buch wurde denn auch unter seinem «italianisierten» Titel Il Principe, der Fürst, berühmt.
    Ein 1513 verfasster Traktat über die Fürstentümer und den Fürsten stand in der langen Tradition der Fürstenspiegel. Diese literarische Gattung wurde von so berühmten Theologen wie Thomas von Aquin gepflegt und sollte die Mächtigen lehren, gottgefällig und zum Wohle ihrer Untertanen zu regieren. Eine solche Anleitung zur guten Herrschaft war daher mit moralischen Maximen nur so gespickt. Der vorbildliche Fürst besaß die Tugenden der Milde, Gerechtigkeit, Selbstbeherrschung, Standhaftigkeit und Aufrichtigkeit. Er dankte lieber ab, als Unrecht zu tun oder dieses auch nur zuzulassen. Sein Seelenheil war ihm wichtiger als alle Macht und Herrlichkeit dieser Erde. Er verzichtete auf Prunk und Pomp und war seinem Volk ein Vater. Das Schwert führte er ausschließlich, um dem Bösen zu wehren. Das heißt, er schützte die ihm anvertrauten Landeskinder vor Aufruhr und Verbrechen im Inneren und verteidigte sie gegen Aggressionen von außen. Krieg führte er nur, um seine legitimen Rechte zu schützen. Deshalb brauchte er keine neuen Abgaben einzuführen und wurde von den Menschen guten Willens geliebt. Ein solcher Fürst konnte in der kleinsten Bauernkate rasten und seinen Kopf getrost in den Schoß seiner Untertanen legen.

    Keines der zahlreichen «Porträts» Machiavellis ist nach dem Leben gezeichnet, doch dürften die meisten von ihnen auf eine einheitliche Vorlage, vielleicht seine Totenmaske, zurückgehen. Diese Terracotta–Büste zeigt den Verfasser des Fürsten und der Discorsi als Prototyp des modernen Intellektuellen: in Gedanken versunken und von zwiespältigen Gefühlen zerrissen.
    Für Machiavelli waren alle diese Traktate von Theologen und Humanisten hohles Geschwätz, das von reinem Wunschdenken diktiert wurde:
Viele haben sich Republiken und Fürstentümer eingebildet, die niemals jemand zu sehen bekam, weil sie nie existiert haben. Denn der Unterschied zwischen der Art und Weise, wie man lebt und wie man leben sollte, ist so groß, dass derjenige, der unterlässt, was man tut, und stattdessen tut, was man tun sollte, eher seinen Ruin als seine Selbstbehauptung lernt.[ 10 ]
    Machiavelli, der erfahrene Diplomat und ausgewiesene Menschenkenner, rechnet unbarmherzig mit den humanistischen Schreibtischtätern ab. Mit ihren Illusionen treiben sie die Fürsten in den Untergang, falls diese unklug genug sind, diesen verderblichen Anleitungen zu folgen. Doch dazu sind die meisten

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