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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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glaubte, Eure Gnade eingebüßt oder besser: durch eigene Schuld verloren zu haben. Denn Ihr habt mir längere Zeit nicht geschrieben, und ich war unsicher, aus welchem Grund … Doch aus Eurem letzten Schreiben vom 23. November ersehe ich zu meiner höchsten Zufriedenheit, dass Ihr mit aller Ordnung und Ruhe Eures öffentlichen Amtes waltet. Und ich ermuntere Euch, so fortzufahren.[ 6 ]
    Damit ist ein scharfer Kontrast zu Machiavellis Lage und Lebensweise markiert, wie die nachfolgenden Sätze mit beißender Ironie hervorheben:
Ich kann Euch jedoch nicht mit denselben Gnaden dienen, sondern nur erzählen, wie mein Leben hier ist. Und wenn Ihr mit mir zu tauschen bereit seid, so willige ich gerne in diesen Handel ein.[ 7 ]
    Wie dieses Leben aussieht, wird im Folgenden mit derben und drastischen Worten ausgemalt:
Ich stehe am Morgen mit der Sonne auf und gehe in meinen Wald, in dem ich Bäume fällen lasse. Dort kontrolliere ich zwei Stunden lang die Arbeiten vom Vortag und verbringe meine Zeit mit den Holzfällern, die fast immer Streit haben, sei es untereinander, sei es mit Nachbarn. Was diesen Wald betrifft, so hätte ich tausend schöne Geschichten zu erzählen, die sich zwischen mir und Frosino da Panzano und anderen zugetragen haben, die mein Holz wollen … Wenn ich den Wald verlassen habe, gehe ich zu einer Quelle und danach auf Vogeljagd. Ich habe ein Buch dabei, Dante oder Petrarca, oder einen der kleineren Dichter wie Tibull, Ovid oder ähnliche. Ich lese von ihren amourösen Leidenschaften und ihrer Liebe, erinnere mich an meine und genieße eine Zeitlang diese Gedanken. Danach gehe ich über die Straße ins Wirtshaus, spreche mit den Gästen, frage nach den Neuigkeiten in ihrem Dorf, höre von verschiedenen Dingen und stelle unterschiedliche Vorlieben und Vorstellungen fest. Danach kommt die Stunde des Mittagsmahls, das ich mit der Schar der Meinen einnehme, und zwar von dem, was diese ärmliche Villa und dieser winzige Besitz abwerfen. Nach dem Essen kehre ich ins Wirtshaus zurück; dort treffe ich gewöhnlich den Wirt, den Totengräber, den Müller und zwei Kalkbrenner. Mit diesen vertreibe ich mir den ganzen Tag die Zeit beim Cricca- und Trick-Track-Spiel. Dabei kommt es tausendfach zu Streit und Beschimpfungen. Meistens geht es dabei nur um ein Paar Pfennige, doch ist unser Geschrei bis San Casciano zu hören. In Gesellschaft dieser groben Klötze erfrische ich mir das Gehirn und tobe meine Wut über die Ungunst des Schicksals aus, dem es gefällt, mich auf diese Weise mit Füßen zu treten, und warte ab, ob es sich darüber schämt.[ 8 ]
    Diese Beschreibung des Landlebens spielt mit literarischen Vorbildern, kehrt sie um und parodiert sie. Dantes Beschreibung der Jenseitswanderung in der «Göttlichen Komödie» setzt damit ein, dass sich der Dichter in einem dichten Wald verirrt hat. Petrarca meditierte an der fontaine de Vaucluse, aus der die Sorgue entspringt. Doch Machiavelli besucht Wald und Quelle nicht primär wegen der stillen Einkehr, sondern um seinen kärglichen Lebensunterhalt zu sichern. Vollends zerstört wird der Anflug von Idylle mit den Szenen aus der Hosteria. Machiavelli verkehrt mit den Dörflern nicht als Grundherr und Patriarch, sondern wie einer von ihnen. Seht her, so scheint er sagen zu wollen, so tief bin ich durch das erlittene Unrecht gesunken! Diese Anklage richtet sich gegen das böse Geschick, das ihm die feindlich gesinnte Göttin Fortuna zugedacht hat. Doch zugleich gewinnt das angeblich so wüste Treiben in der Dorftaverne eine therapeutische Funktion, denn er spielt und schreit sich den Kopf frei für das, was danach kommt:
Bricht der Abend herein, kehre ich nach Hause zurück und begebe mich in mein Arbeitszimmer, auf dessen Schwelle ich mein von Schlamm und Schmutz bedecktes Alltagskleid ausziehe, um Gewänder des Hofes und der Kanzlei anzulegen. Und so tauche ich, dezent gekleidet, in die Foren des Altertums ein. Von den Alten liebenswürdig empfangen, nähre ich mich von der einzigen Speise, die mir bekommt und für die ich geboren wurde. Dort schäme ich mich nicht, mit ihnen zu sprechen und sie nach den Gründen für ihre Handlungen zu fragen. Und freundlich, wie sie sind, antworten sie mir. So empfinde ich volle vier Stunden lang keine Langeweile, vergesse alle Sorgen, fürchte die Armut nicht und lasse mich vom Tod nicht schrecken; stattdessen versetze ich mich ganz und gar in sie hinein. Und wie Dante sagt, dass er nie etwas liest, ohne das Gelernte

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