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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Dazu genügt es, die Finger vom Besitz der Bürger und Untertanen und von ihren Frauen zu lassen.[ 16 ]
    Wer glaubt, dass Machiavelli hier ethische Normen predigt, täuscht sich gründlich. Wenn der kluge Fürst diese Regeln beherzigt, dann folgt er ausschließlich einer Strategie des Erfolgs, ja geradezu einer Überlebensregel. Denn ein Fürst, der gegen diese Normen verstößt, wird unfehlbar einer Verschwörung zum Opfer fallen. Noch eine dritte Selbstbeschränkung des Herrschers empfiehlt Machiavelli: Gewalt darf nicht zum Selbstzweck werden, denn Herrscher, die dem Blutrausch verfallen, werden selbst eines gewaltsamen Todes sterben.
    Die Zehn Gebote der Bibel waren damit für den Fürsten außer Kraft gesetzt. An ihre Stelle waren drei neue Gebote getreten: Du sollst dich nicht an den Gütern deiner Untertanen gütlich tun; du sollst dich nicht an ihren Frauen vergreifen; du sollst nicht einfach aus Spaß töten. Ihre Einhaltung versprach Schutz gegen sofortigen Untergang, doch noch keinen Erfolg. Dazu reichten bloße Verbote nicht aus. Die allgemeinste Regel des Erfolgs klang in Machiavellis Urteil über Cesare Borgia und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen bereits an: Der Sohn des Papstes galt als grausam, womit er Hass auf sich zog; der erfolgreiche Fürst muss dagegen anstreben, für mitleidig gehalten zu werden. Politik ist also die Kunst, den richtigen Schein zu erzeugen.
Die Menschen urteilen im Allgemeinen nach dem Augenschein, nicht mit den Händen. Sehen nämlich kann jeder, verstehen können wenige. Jeder sieht, wie du dich gibst, wenige wissen, wie du bist. Und diese wenigen wagen es nicht, sich der Meinung der vielen entgegenzustellen. Denn diese haben die Majestät des Staates zur Verteidigung ihres Standpunkts.[ 17 ]
    Auf Imagebildung und Propaganda, nicht auf die tatsächlichen Eigenschaften des Fürsten kommt es an. Der Staat ist eine Inszenierung, die Macht vorspiegelt, um sie zu erzeugen – ein Unternehmen, das mit der richtigen, hier gelieferten Anleitung unfehlbar gelingen wird, denn die Menschen sind nicht nur leicht zu betrügen, sondern sie sehnen sich geradezu danach, nicht sehen zu müssen, wie die Verhältnisse der Macht tatsächlich beschaffen sind.
So soll ein Fürst nur siegen und den Staat erhalten; seine Methoden werden immer als ehrenvoll eingestuft und von allen gelobt werden. Denn das gemeine Volk lässt sich vom Schein und vom Erfolg leiten. Und die Welt besteht nur aus gemeinem Volk, die wenigen Einsichtigen kommen dagegen nicht an.[ 18 ]
    Erfolgreich regieren heißt also, sich den richtigen Ruf zu erwerben. Zum erstrebenswerten Image des Fürsten gehören Tapferkeit gepaart mit militärischer Kompetenz, Menschlichkeit, Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit, Sanftmut und weitere Tugenden aus den Katalogen der traditionellen Fürstenspiegel. Alle diese löblichen Eigenschaften muss der Fürst je nach Situation vorzeigen, das heißt: vorspiegeln können, doch darf er sich um seines Überlebens willen natürlich nicht an die damit verbundenen Verpflichtungen halten. Er muss den standardisierten Verhaltenskodex des guten Fürsten abrufen können, wenn es die Situation erfordert, doch darf er auch vor der dunklen Seite seines Metiers nicht zurückschrecken und muss die Techniken von Gewalt und Terror gleichermaßen virtuos beherrschen:
Ein gewisser Fürst der Gegenwart – denn ihn beim Namen zu nennen ist nicht opportun – hat immer nur Frieden und Treue gepredigt und war doch ein Todfeind von beidem. Und sowohl der Friede als auch die Treue hätten ihn, wäre er ihnen gefolgt, mehrfach seinen Staat und sein Ansehen gekostet.[ 19 ]
    Nichts sein, alles scheinen: Dieser Regel entsprechend muss der perfekte Fürst nicht nur über der Moral stehen, er darf auch nicht an die Lehre der Kirche glauben, denn wenn er sich so verhält, wie es Machiavelli von ihm verlangt, wandert er unweigerlich in die Hölle. Dort ist nach traditioneller Lehre für diejenigen, die ihr Wort und geschlossene Verträge brechen, sogar ein besonders tiefer Kreis mit ausgesucht qualvollen Strafen reserviert. Doch diese Verdammnis muss der pflichtbewusste Fürst ohne zu zögern auf sich nehmen – vorausgesetzt, die Kirche hat Recht, und der Himmel belohnt die Sanftmütigen und nicht die Kühnen und Tapferen.
    Der perfekte Fürst muss alles, was ihm Vorteile einbringt, vortäuschen können. Um es zu dieser Virtuosität zu bringen, darf er nicht festgelegt sein, weder durch seine Werte noch durch seinen

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