Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
des Papstes, ums Leben kam. Damit hatte das Heer der Liga seinen einzigen fähigen General verloren.
Francesco Maria della Rovere-Montefeltro blieb in dieser Situation untätig. Er versäumte eine günstige Gelegenheit nach der anderen, um die Spanier aus Mailand zu vertreiben. Wenn sich diese in der lombardischen Metropole behaupten konnten, bestand die Gefahr, dass sich ihre Truppen, die unter dem Befehl des ehemaligen französischen Konnetabels de Bourbon standen, mit den Landsknechten Frundsbergs vereinigten. Bourbon war von seinem König Franz I. abgefallen, weil er sich von diesem ungenügend gewürdigt und am Ende sogar betrogen gefühlt hatte. In den Augen seiner Standesgenossen war Bourbon jedoch ein Verräter, der zum Erzfeind seines Herrn übergelaufen war. Um seine Ehre wiederherzustellen, war ihm jedes Mittel recht, auch das riskanteste. Frundsbergs Landsknechte, deren kaiserlicher Sold ausblieb, hatten ebenfalls wenig zu verlieren und viel zu gewinnen. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie davon träumten, eine der sagenhaft reichen Städte Italiens nach Herzenslust zu plündern – ob Florenz oder Rom, das würde sich zeigen.
Francesco Maria da Montefeltro aus der Familie der Della Rovere war der Mann, der Machiavelli am Ende seines Lebens zur Verzweiflung trieb. Tizians Porträt zeigt den Herzog von Urbino als tapferen und erfolgreichen Feldherrn. Doch als General der Ligaarmee verweigerte er den Kampf gegen die kaiserlichen Truppen und rächte sich auf diese Weise grausam an Papst Clemens VII. und den Medici.
Die Florentiner fühlten sich zu Recht bedroht und reaktivierten deshalb einen Diplomaten, der ihnen in Krisenzeiten schon öfter gute Dienste geleistet hatte. Im September 1526 schickten sie Machiavelli zu Francesco Guicciardini in die Romagna. Dieser hatte für seinen Freund einen Spezialauftrag: Er sollte sich nach Cremona begeben und das dortige Feldlager der Liga inspizieren. Deren Befehlshaber versteifte sich darauf, die Provinzstadt Cremona zu belagern, statt gegen Mailand zu ziehen. Machiavelli sollte erkunden, warum – und warum die Belagerung erfolglos blieb. Das Ergebnis dieser Expedition war ein detaillierter Plan, wie man Cremona im Sturm erobern könnte. Doch zu einem so entschlossenen Vorgehen war der lethargische Kommandant nicht zu bewegen.
Die Nachrichten von der Front müssen die Verantwortlichen in Florenz alarmiert haben. Schon am 30. November 1526 machte sich Machiavelli im Auftrag der Otto di Pratica erneut auf den Weg nach Modena zum dortigen Statthalter Francesco Guicciardini. Diesem sollte er eindringlich vor Augen halten, in welcher Notlage sich Florenz befand:
Obwohl das eigentlich gar nicht nötig ist, wirst du ihm schildern, in welcher Unordnung sich unsere Stadt in Sachen Geld, Söldner und Offiziere befindet und wie gering die Aussichten auf Rettung vor diesen Landsknechten in verschiedenster Hinsicht sind. Und doch werden wir uns gerne verteidigen und Fortuna die Stirn bieten, wenn wir erkennen, dass unsere Kräfte ausreichen und die Truppen der Verbündeten solche Vorsorge treffen, dass uns die Hoffnung auf sie nicht in den Abgrund stürzt.[ 24 ]
Fortuna die Stirn bieten: Diese Formulierung aus Machiavellis Instruktion klang wie ein Zitat aus seinen Werken. Zu solch heroischen Anstrengungen waren die Florentiner jedoch nur bereit, wenn begründete Aussicht auf Erfolg bestand – das klang wiederum ganz und gar nicht nach Machiavelli. Was anderenfalls geschehen sollte, ließen die Verantwortlichen offen.
Machiavellis Berichte aus Modena lobten Guicciardinis Umsicht und Tatkraft in den höchsten Tönen und zeichneten die Lage insgesamt kritisch, aber nicht hoffnungslos. Der Herzog von Urbino war mit seiner Untätigkeit ein Unsicherheitsfaktor. Doch wenn Clemens VII. mehr Geld flüssig machte, um eigene Truppen anzuwerben, bestand laut Machiavelli Aussicht auf Rettung und Frieden. Schon wenige Wochen nach seiner Rückkehr schickten die Otto di Pratica Machiavelli erneut nach Norden, wo die Front immer weiter auf Florenz vorrückte. Anfang Februar 1527 traf er Guicciardini erneut, diesmal in Parma. Durch die chronische Passivität des venezianischen Generals hatten sich die feindlichen Truppen tatsächlich vereinigt. Ohne Sold und Lebensmittel blieb ihnen in eisiger Winterkälte nur der Weg nach Süden. Wenn der Herzog von Urbino nicht freiwillig kämpfte, dann musste man ihn eben dazu zwingen. Das waren kluge Vorschläge, nur waren sie leider nicht
Weitere Kostenlose Bücher