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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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umsetzbar.
    Mitte März standen die spanischen Söldner und die deutschen Landsknechte in der Romagna. Aus Bologna berichtete Machiavelli seinen immer besorgteren Auftraggebern in Florenz jetzt nahezu täglich. Frundsberg erlitt einen Schlaganfall, als seine Truppe meuterte. Daran knüpfte Machiavelli sofort kühne Hoffnungen:
Wenn uns das Glück gewogen ist, so wird er sterben. Und das wäre der Anfang von unserer Rettung und ihrem Ruin.[ 25 ]
    Frundsberg überlebte zwar, blieb jedoch halb gelähmt in Ferrara zurück. Doch die Rettung für Florenz hatte dieser Ausfall des Feldherrn nicht zur Folge. Auch ohne den Landsknechts-Führer zog die ausgehungerte und zerlumpte Armee von Bologna aus unter dem Kommando Bourbons weiter nach Süden, was man laut Machiavelli unbedingt hätte verhindern müssen, denn dort fanden die Feinde milderes Wetter und Verpflegung. Daher klangen die Berichte des florentinischen Sondergesandten immer alarmierter: Das Heer der Liga sollte endlich die entscheidende Schlacht wagen, die sie mit dem nötigen Kampfesmut auch gewinnen würde. Wenn es an dieser Entschlossenheit fehlte, sollte der Papst das Lösegeld zahlen, mit dem sich die feindliche Armee zum Abzug bewegen ließ. Eins von beidem aber musste dringend geschehen, sonst drohte die Katastrophe:
Wenn wir die Schwierigkeiten des Feindes nur entsprechend verschärfen und ausnutzen könnten, würden sie ihn zugrunde richten. Doch unser trauriges Schicksal macht, dass wir nichts Gutes ausrichten können.[ 26 ]
    Dieser melancholische Satz Machiavellis im Frontbericht vom 30. März 1527 klingt wie ein Lebensmotto. Im eisigen Frühjahr 1527 stellten sich alle Krisensymptome, die Niccolò Machiavelli seit drei Jahrzehnten im Italien seiner Zeit aufgezeigt hatte, zusammen ein: unmotivierte Söldner, ein Feldherr, der nicht kämpfen wollte, Angst und Unentschlossenheit der Mächtigen, Furcht vor dem unvermeidlichen Risiko, Finanzschwäche der Staaten, fehlender Patriotismus, Schutzlosigkeit gegen außen. Das alles verknüpfte sich zum «traurigen Schicksal», der Ungunst Fortunas, von der sich Machiavelli sein Leben lang verfolgt fühlte. Dagegen gab es wie immer nur ein Rezept: tapfere Gegenwehr! Am Ende würde die launische Glücksgöttin den Mutigen helfen:
Wir sind immer noch fast sicher, dass der Feind keine Städte der Romagna einnehmen wird … So dürfen wir uns sicher fühlen, wenn nicht etwas Unvorhergesehenes geschieht.[ 27 ]
    So optimistisch klang Machiavellis Bericht vom 8. April 1527 aus Forlì. Auch fünf Tage später schrieb er aus derselben Stadt zuversichtlich nach Florenz:
Man sagt, dass man aus der Not (necessità) eine Tugend (virtù) machen muss. Doch wenn zur Tugend die Notwendigkeit kommt, muss die Tugend wachsen, bis sie unüberwindlich wird.[ 28 ]
    Virtù und necessità: Mithilfe dieser beiden Kategorien versuchte Machiavelli, die Welt zu erklären. Doch wie so oft mangelte es im Frühjahr 1527 an der erforderlichen virtù. Der Herzog von Urbino blieb untätig, das kaiserliche Heer überquerte den Apennin, doch die befürchtete Plünderung von Florenz blieb aus. Schon im April 1526 hatte Machiavelli die Festungen seiner Heimatstadt inspiziert und letzte Ausbesserungen vornehmen lassen. Bourbon wagte den Angriff gegen Florenz nicht, sondern zog Richtung Rom weiter. Dort verweigerte Clemens VII. weiterhin die Auszahlung des rettenden Lösegelds. Am 6. Mai 1527 stürmten die spanischen und deutschen Söldner schließlich die Mauern der Ewigen Stadt und schwangen sich zu deren Herren auf. Der Sacco di Roma, die Plünderung Roms, hatte begonnen. Clemens VII. konnte sich in letzter Minute in die uneinnehmbare Festung der Engelsburg am Tiber retten, wo er monatelang gefangen saß. Auf das Gerücht hin, dass Clemens VII. nach Civitavecchia geflohen sei, schickte Guicciardini Machiavelli in diese päpstliche Hafenstadt, um dort eine Galeere für die Flucht des Papstes bereitzustellen. Aus Civitavecchia schickte Machiavelli am 22. Mai 1527 eine Nachricht an Guicciardini. Sie ist das letzte überlieferte Lebenszeugnis.
    Als die Kunde von der Eroberung Roms nach Florenz gelangte, waren die Tage der Medici auch dort gezählt. Am 17. Mai mussten sie die Stadt verlassen. Die politische Stunde Null hatte damit geschlagen: Der Weg für eine neue Republik war frei. Doch es zeigte sich schnell, dass es keine Republik im Sinne Machiavellis, sondern im Geist Savonarolas sein würde. Die Mittelschicht sah ihre Chance und

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