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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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seid Ihr jederzeit willkommen und werdet vielleicht noch besser aufgenommen.[ 18 ]
    Kurz darauf erledigte Machiavelli für seinen einflussreichen Fürsprecher sogar Privatgeschäfte. So inspizierte er ein diesem gehörendes Landgut und riet zu dessen Verkauf. De facto war Machiavelli zu einem Agenten der Familie Guicciardini geworden. Auf der anderen Seite betrachtete ihn der Präsident der Romagna als intellektuell ebenbürtig. Dieses Dilemma machte wie schon zwölf Jahre zuvor in der Korrespondenz zwischen Machiavelli und Francesco Vettori eine besondere Tonlage notwendig: Ironie!
    So adressierte Guicciardini einen Brief vom August 1525 «Al Machiavello Madonna di Finocchieto desidera salute e purgato giudizio». Er schrieb an «Machiavelli als Muttergottes von Finocchieto, um sein Urteil in mehreren Punkten zurecht zu rücken». Das war eine ebenso amüsante wie gewagte literarische Fiktion:
Wenn ich glaubte, dass das, was du meinem Herrn über mich geschrieben hast, der Bosheit entspränge, so würde ich nicht die Mühe auf mich nehmen, dich … von dieser Bösartigkeit zu befreien … Doch da ich davon überzeugt bin, dass nicht Bösartigkeit, sondern ein Irrtum die Ursache ist, was zwar nicht ehrenhaft, doch entschuldbar ist, so scheint es mir eine Pflicht der Menschlichkeit zu sein, dir die Wahrheit zu offenbaren …[ 19 ]
    Die Madonna alias Guicciardini will Machiavelli die Augen öffnen, denn von selbst sieht dieser nicht, was er sehen sollte:
Du, der du so viele Geschichtswerke gelesen und verfasst und so viel von der Welt gesehen hast, müsstest doch wissen, dass man bei einer Frau, die mit allen zusammenlebt und niemanden liebt, anderen Schmuck, andere Schönheit und anderes Verhalten erwartet als bei Frauen mit züchtigen Gedanken, die nach nichts anderem streben, als dem einen zu gefallen, dem sie ehrenvoll und rechtmäßig gegeben sind … Und du siehst auch nicht, dass man die Dinge nicht an der Oberfläche, sondern von ihrer Substanz her beurteilen muss.[ 20 ]
    Das hieß im Klartext: Deine Freundin Barbera ist eine Hure. Das wissen alle außer dir, der du dich in Illusionen wiegst. Der letzte Satz war eine erlesene Bosheit: Machiavelli, der den Anspruch erhob, die Mächtigen zu demaskieren und hinter jede Fassade der Propaganda zu blicken, war blind in eigenen Privatangelegenheiten! Trotzdem scheint Machiavelli dem Verfasser diesen Brief nicht verübelt zu haben. Kurz darauf fasste Guicciardini den Plan «Messer Nicias», also Machiavellis Komödie La Mandragola, in Modena aufführen zu lassen, wofür ihm der Autor dankte und Unterstützung zusagte. Diese Hilfe bestand in Liedern, die Machiavelli nachträglich zum Text seines Lustspiels hinzudichtete und mit Musik unterlegte. In ihnen könnte man eine Antwort auf die Vorhaltungen Guicciardinis sehen:
Wer sich des Vergnügens beraubt,
um in Angst und Sorgen zu leben,
kennt nicht den Betrug der Welt.[ 21 ]
    Machiavelli hingegen kannte ihn, ja er sah sich geradezu als Experten in Sachen Betrug. Mochte Barbera auch anderen ihre Gunst schenken: Selbst Guicciardini musste zugeben, dass sie eine Hure mit Herz und Machiavelli aufrichtig zugetan war.
    Um dieselbe Zeit verfasste Machiavelli das Regelbuch für eine Compagnia di Piacere, eine Gesellschaft lockerer junger Leute, die sich ganz dem Vergnügen widmen wollten. Ob diese Gesellschaft tatsächlich existierte oder eine literarische Fiktion war, ist ungewiss und zum Verständnis des Textes auch nicht wichtig. Machiavelli boten diese Kapitel die Gelegenheit, der Welt den Spiegel vorzuhalten. In dieser Anleitung zum Lebensgenuss wurden alle moralischen Regeln der «echten» Gesellschaft auf den Kopf gestellt: Sexuelle Ausschweifung war nicht nur erlaubt, sondern geboten, und wer am geschicktesten betrog, wurde am höchsten geehrt. Bei aller karnevalesken Komik kam diese Ordnung dem Bild, das sich Machiavelli von der Welt machte, ziemlich nahe. Deren Normen waren umgekehrt, doch wurden sie systematisch missachtet. Die einzig ehrliche Übereinkunft, die Menschen untereinander schließen konnten, musste wie diese lauten:
Jeder muss über den anderen schlecht reden. Und die Sünden aller Fremden, die dazu stoßen, müssen ohne jede Rücksicht öffentlich bekannt gemacht werden.[ 22 ]
    Auch die Methoden der politischen Beschlussfassung wurden in diesem Reglement des aggressiven Hedonismus der Spiegel mit ätzendem Sarkasmus bedacht:
In dieser Gesellschaft darf nur über die Gegenstände beraten werden, auf die

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