Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
zum Mensch gewordenen Erzteufel Belfagor – außer einem stark verblassten Namen und seinem Amt nicht viel zu bieten, folglich durfte er auch nicht mehr erwarten. Seine Zukünftige entstammte wie er selbst dem abgesunkenen Zweig eines angesehenen Sippenverbands, der sehr viel später mit Clemens XII. (1730–1740) sogar einen Papst stellen sollte. Entsprechend bescheiden dürfte ihre Mitgift ausgefallen sein. Etwas höher war das soziale Kapital, das Marietta in die Ehe einbrachte; zu einigen einflussreicheren Persönlichkeiten in ihrem Verwandtschafts-Umfeld konnte ihr Mann nützliche Beziehungen knüpfen.
Über das persönliche Verhältnis der beiden liegen nur sehr wenige Zeugnisse vor. Nach eigenen Bekundungen war Machiavelli alles andere als ein treuer Ehemann, doch das wurde nach den moralischen Maßstäben der Zeit auch nicht von ihm verlangt. Im Gegenteil, wer sich außerehelichen Abenteuern abgeneigt zeigte, sah sich in der Florentiner Männergesellschaft schnell beißendem Spott ausgesetzt. Was Marietta Corsini Machiavelli betraf, so erfüllte sie die damaligen Erwartungen an eine Ehefrau nach besten Kräften. Sie gebar ihrem Mann fünf lebensfähige Söhne, führte den bescheiden dotierten Haushalt mit Umsicht und Sparsamkeit und schickte ihm Lebensmittel und Kleidung, wenn er auf seinen zahlreichen Gesandtschafts- und Inspektionsreisen im Dienst der Republik unterwegs war. Ein einziger erhaltener Brief lässt erahnen, dass bei dieser reinen Zweckmäßigkeitsehe zumindest von ihrer Seite auch Gefühle im Spiel waren:
Mein liebster Niccolò, Ihr tadelt mich, doch zu Unrecht. Wie würde ich mich freuen, wenn Ihr hier wäret. Ihr wisst genau, wie glücklich ich wäre, wenn Ihr nicht mehr dort unten (= in Rom) weiltet, zumal man mir gesagt hat, dass dort jetzt eine schreckliche Epidemie wütet. Ihr könnt Euch vorstellen, wie es mir geht – Tag und Nacht finde ich deswegen keine Ruhe! … Wundert Euch nicht, wenn ich Euch nicht geschrieben habe. Es ging nicht anders, denn ich hatte Fieber und bin überhaupt nicht erzürnt. Dem Kind geht es gut, es hat Ähnlichkeit mit Euch: Seine Haut ist weiß wie Schnee, aber auf dem Kopf hat er schwarzes Haar wie Fell, und er ist am ganzen Körper behaart wie Ihr. Und da er Euch gleicht, finde ich ihn schön … Kaum war er geboren, öffnete er die Augen und fing an, das ganze Haus mit seinem Geschrei zu erfüllen.[ 27 ]
Auch Marietta war nicht auf den Mund gefallen. Die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn ging natürlich über die Behaarung hinaus: Der Kleine, der das Licht dieser Welt so schnell in Augenschein nahm, hatte offensichtlich die legendäre Beredsamkeit des Vaters und dessen Geistesgegenwart geerbt. Zuvor hatte schon ein guter Bekannter namens Luca Ugolini Machiavelli mit typisch florentinischem Witz mitgeteilt, dass er sich um seine Vaterschaft keine Sorgen machen müsse – der Knabe, der nach seinem Großvater Bernardo genannt wurde, sei ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, Leonardo da Vinci selbst hätte ihn nicht besser porträtieren können.
Über Marietta und die stetig wachsende Kinderschar hinaus gab es in Machiavellis Leben sehr wenig «Familie». Das Verhältnis zu seinem Bruder Totto oder besser: dessen Beziehung zu Niccolò spiegelt ein einziger kurzer Brief aus Tottos Feder wider:
Gestern Abend erhielt ich Euren Brief und erfuhr von der Gefahr, in der Ihr Euch befindet … Ein solches Risiko gehen diejenigen, die etwas herumkommen und mit vielen Menschen Kontakt haben, nun einmal ein. Und wenn Euch nichts Schlimmeres zugestoßen ist, könnt Ihr von Glück sagen. Ich sage nicht, dass es nicht vernünftig ist, vorsichtig zu sein, aber sich, wie Ihr es tut, wegen eines einzigen Falles verrückt zu machen, ist unsinnig … Also: Kopf hoch, nur Knaben und Frauen dürfen in solchen Fällen verzagen.[ 28 ]
Feigheit hatte Machiavelli noch niemand vorgeworfen, das blieb seinem Bruder vorbehalten. So kühl und geschäftsmäßig dürfte es immer zwischen den beiden zugegangen sein. Totto betätigte sich in diversen Handelsgeschäften, doch auf einen grünen Zweig kam er damit nicht.
Im Sommer 1501 ballten sich erneut dunkle Wolken am politischen Horizont zusammen. Gefahr drohte Florenz vor allem von den Borgia. Cesare, der Sohn des Papstes, begnügte sich nicht mit der Eroberung der Romagna, die ihm Alexander VI. im Frühjahr als Herzogtum übertragen hatte. Seine von Frankreich gestützten militärischen Operationen erstreckten sich immer weiter
Weitere Kostenlose Bücher