Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
nach Süden. Über seinen nächsten großen Coup wurde an den politischen Stammtischen ganz Italiens eifrig gerätselt: Ging es gegen Florenz oder nur gegen Siena – oder gegen die beiden toskanischen Republiken zugleich?
Erst einmal ging es gegen Jacopo d’Appiano in Piombino. Dieser stand wie Caterina Sforza unter dem Schutz von Florenz, doch das nützte ihm jetzt wenig. Cesare befahl, die Republik gehorchte und ließ ihren ehemaligen condottiere schnöde im Stich. Am 3. September 1501 ergab sich Piombino seinem neuen Herrn Cesare Borgia. Danach kamen dessen Unternehmungen erst einmal zum Stillstand. Denn auch Cesare hatte einen Herrn, dem er gehorchen musste: Ludwig XII. hatte sich mit König Ferdinand von Aragon darauf geeinigt, das Königreich Neapel untereinander aufzuteilen, und der Papst hatte als Lehensherr seinen Segen dazu gegeben. Dabei sicherte sich Frankreich die Hauptstadt Neapel und deren Umgebung, während die Spanier die peripheren Provinzen im Süden erhielten. Es schien somit nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das ganze Königreich an den allerchristlichsten König fallen würde. Cesare Borgia musste daher jetzt mit den französischen Truppen nach Neapel ziehen. Viel zu kämpfen hatte er dort allerdings nicht. König Federico, der letzte Spross der aragonesischen Dynastie, dankte ab und erhielt für seinen Verzicht eine französische Pension.
Im Frühjahr 1502 hatte der Sohn des Papstes daher wieder freie Hand für seine unheimlichen Unternehmungen in der Toskana. Auch Florenz hatte unterdessen Vorkehrungen getroffen. Im April schloss die Republik ein neues Bündnis mit Ludwig XII. von Frankreich, und zwar zu erstaunlich günstigen Bedingungen. Der französische König fürchtete, dass sich Florenz Kaiser Maximilian anschließen könnte, der einen Zug nach Italien ankündigte. Von den Zusicherungen seines mächtigen Alliierten gestärkt, ging Florenz mit frischer Energie gegen Pisa vor. Und dann der Schock: Am 4. Juni 1502 erhob sich Arezzo gegen die florentinische Herrschaft, fast das ganze Valdichiana-Gebiet folgte auf dem Fuß. Monte Sansavino, Cortona, Castiglione, ein Ort nach dem anderen ergab sich den Aufständischen. Bei dieser Rebellion hatte Cesare Borgia seine Hand im Spiel. Kaum hatte der Aufruhr in Arezzo begonnen, da war auch schon Vitelozzo Vitelli, Cesares Unterfeldherr, zur Stelle und besetzte mit seinen Truppen die Stadt. Vitellozzo war der Bruder von Paolo Vitelli, den die Florentiner drei Jahre zuvor als Verräter hingerichtet hatten. Den aufständischen Aretinern gegen die Mörder seines Bruders zu helfen, war ihm eine Herzensangelegenheit. Er rächte damit nicht nur die Schmach, die seiner Familie angetan worden war, sondern stellte auch deren Ehre wieder her.
Trotzdem waren die Beteuerungen seines Herrn, mit dieser Unternehmung nichts zu tun zu haben, alles andere als glaubhaft. Cesare hielt seine condottieri an der kurzen Leine, Eigenmächtigkeiten wurden streng bestraft. Zu gut passte der Aufstand überdies ins Kalkül des Papstsohns, der sich Florenz um jeden Preis gefügig machen wollte. Um es danach zu erobern? Was die Pläne der Borgia betraf, so zirkulierten immer wildere Gerüchte. Das galt auch für ihre Herrschaft in Rom. Schon einige Monate zuvor hatte ein Mitarbeiter der Kanzlei Machiavelli brühwarme Informationen über das wüste Treiben der Borgia am Tiber zukommen lassen: Der Papst habe den Kardinälen verboten, Testamente zu machen, um ihren Nachlass selbst einzuziehen; und beim Sterben helfe er kräftig nach. Kardinalate würden meistbietend versteigert, im Vatikan folge eine Orgie auf die andere. Mit Ausnahme der Ausschweifungen, die sich die erhitzte öffentliche Phantasie ausmalte, entsprachen diese Nachrichten im Großen und Ganzen den Tatsachen.
Dieser Ruf war den Borgia willkommen, ja, sie hatten sogar alles dafür getan, dass er sich so weit wie möglich verbreitete. Wer sich uns in den Weg stellt, wird als Wasserleiche aus dem Tiber gezogen: Dieses Exempel wurde an dem jungen Astorre Manfredi, dem gestürzten Stadtherrn von Faenza, statuiert. Ihm hatte Cesare zuvor feierlich freies Geleit geschworen. Wortbruch und Mord, wenn es der Macht der Familie diente – das war das Image des Papstes und seines Sohnes. Mit dieser Strategie des Schreckens fuhr der Herzog der Romagna gut. Seine Feinde und seine Untertanen sollten ihn fürchten. Machiavelli hatte in Sachen Pisas und Pistoias ähnlich argumentiert. Darüber hinaus führte der «Duca
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