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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Verhandlungen. Schon zu Beginn stellte der Herzog unerhörte Forderungen:
Eure Regierungsform gefällt mir nicht, und ich kann mich nicht auf sie verlassen. Also müsst Ihr sie ändern und mir dadurch die Sicherheit bieten, dass Ihr das, was Ihr mir versprecht, auch einhaltet. Sonst werdet Ihr sehr schnell erleben, dass ich mich mit den gegenwärtigen Umständen nicht abfinde – wenn Ihr mich nicht zum Freund wollt, werdet Ihr mich als Feind erleben.[ 31 ]

    Das anonyme Bild zeigt Cesare Borgia, wie ihn sich die Nachwelt vorstellte: stark, schön und vom Glück begünstigt.
    Von der Gegenseite zu verlangen, dass sie ihre zweihundert Jahre alte Verfassung umstürzen sollte, war nicht gerade die feine diplomatische Art. Im Gegensatz zum Duca Valentino wahrten die Florentiner Unterhändler trotz dieses beispiellosen Affronts die Form:
Wir entgegneten, Florenz habe die beste Regierungsform, die man nur finden könne, und mit ihr werde die Republik ihn und seine Freunde gleichermaßen zufrieden stellen. Und was die Einhaltung von Versprechen angehe, so werde der Herzog in ganz Italien niemanden finden, der seine Zuverlässigkeit besser mit Dokumenten belegen könne als Florenz.[ 32 ]
    Eine weitere Begründung, warum er die Republik am Arno grundlegend umgestaltet sehen wollte, lieferte der Sohn des Papstes prompt nach: Er habe vor, alle Tyrannen Italiens zu stürzen!
    Aus dem Munde eines Parvenüs, der die von seinem Vater geliehene Macht dazu benutzt hatte, alteingesessene Dynastien reihenweise zu vertreiben oder sogar auszulöschen, musste dieses Bekenntnis zu den traditionellen politischen Werten wie blanker Hohn klingen. Es blieb nicht die einzige Äußerung dieser Art:
Erwartet nur nicht, dass ich Euch etwas Gutes tue – Ihr habt es nicht nur nicht verdient, sondern Ihr verdient das Gegenteil. Gewiss, Vitellozzo ist mein Mann. Doch ich schwöre Euch, dass ich von seinem Vorgehen gegen Arezzo niemals etwas gewusst habe.[ 33 ]
    Dieser Mann schwor einen Meineid nach dem anderen und verlangte von der Gegenseite unbedingte Verlässlichkeit! Doch wer bei solchen Verhandlungen wie Cesare Borgia auftrumpfte, prahlte und drohte, konnte seiner Sache nicht so sicher sein, wie er behauptete. Machiavelli kannte die Achillesferse des scheinbar allmächtigen Potentaten genau:
Und wir entgegneten ihm, dass wir von gegenteiligen Maßnahmen und Vorbereitungen gehört hätten, und zwar beträfen diese Nachrichten die französischen Truppen und die Verärgerung des Königs.
    Kurz vor ihrer Abreise hatten die beiden Gesandten beruhigende Informationen aus Frankreich erhalten: Ludwig XII. schäumte vor Wut über die Eigenmächtigkeiten seines «Vasallen» Cesare Borgia. Florenz stand unter königlichem Schutz. Wenn der Duca Valentino die Republik dadurch schwächte, dass er die Rebellion ihrer Untertanen förderte, beschädigte er die Ehre des allerchristlichsten Monarchen. Und das durfte niemand ungestraft wagen, auch nicht der Sohn des Papstes. Ich, Niccolò Machiavelli, bin selbst in Frankreich gewesen und weiß, wie der König denkt und handelt. Mit diesem Argument hatte Machiavelli einen Volltreffer gelandet, wie die Reaktion seines Gegenübers prompt zeigte:
Er aber wiederholte unablässig, dass er sich in Sachen Frankreich besser auskenne als jeder andere in Italien. Er wisse genau, dass nicht er sich täusche, sondern Florenz.[ 34 ]
    Unterdessen war es früher Morgen und die Florentiner Gesandtschaft von den Strapazen der Reise rechtschaffen müde. Da sie sahen, dass sich der Herzog von seiner vorgefassten Meinung nicht abbringen ließ, so weiter Machiavelli, habe er ihm vorgeschlagen, dass man sich vertagen solle. Doch Cesare, der Nachtmensch, der nie vor Mittag aufstand, war ganz in seinem Element: Seine Ansicht stehe fest, er gebe Florenz eine Frist von vier Tagen. Vier Tage, um die Republik neu zu ordnen!
    Am nächsten Tag, dem 26. Juni, ließ der Duca Valentino seine Vasallen aufmarschieren: Giulio und Paolo Orsini, Parteigänger der Medici und geschworene Feinde der Republik, schlugen in dieselbe Kerbe. Dabei hatten sie die Stirn, das Gegenteil zu behaupten: Sie seien ernsthaft um das Wohlergehen ihrer geliebten Stadt Florenz besorgt und gerne bereit, sich bei Cesare Borgia für sie zu verwenden. Doch vorher müsse zu dessen Sicherheit das Regierungssystem verändert werden. Die Auswechslung der Verfassung – so hatte Machiavelli schon dem auftrumpfenden Herzog mit milder Ironie erklärt – sei nicht Teil seines

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