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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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sagen kann, was ich eigentlich sagen möchte.[ 87 ]
    Was mit dem letzten, beschwörend klingenden Satz gemeint ist, lässt sich nur vermuten. Wahrscheinlich teilte Casavecchia, der als Militärkommissar der Republik an den Operationen gegen Pisa teilgenommen hatte, aber nicht zu den einflussreichsten Kreisen zählte, die radikalen Ansichten Machiavellis: dass jeder Bürger Soldat sein müsse und Leistung allein über politischen Aufstieg entscheiden sollte. So machte der Brief deutlich, dass der Chef der Zweiten Kanzlei zwar keine Macht, wohl aber Anhänger hatte, die mit den herrschenden Verhältnissen unzufrieden waren.
    Der Erfolg der Rückeroberung Pisas ließ sich jedoch nicht lange auskosten. Am politischen Horizont Italiens ballten sich erneut dunkle Gewitterwolken zusammen, vor allem im Nordosten. Dort hatte Venedig am 14. Mai 1509 eine verheerende Niederlage gegen das Heer der Liga von Cambrai erlitten. Darin hatten sich Frankreich, Habsburg, Spanien und Papst Julius II. gegen die stolze Serenissima zusammengeschlossen. Das Kunststück, eine Koalition aller europäischen Großmächte gegen sich aufzubringen, hatte die Lagunenrepublik vor allem durch ihren rücksichtslosen Expansionskurs in Italien fertiggebracht. So war sie nach dem Sturz Cesare Borgias in die päpstliche Romagna eingerückt. Darüber hinaus hatten die Venezianer an den europäischen Höfen ein Imageproblem: Sie galten als arrogant und als ausgezeichnete Spione. Vor allem Kaiser Maximilian war es ein Anliegen, die hochmütigen Parvenüs, die sich adelig gebärdeten, doch in Wirklichkeit Krämer und Wucherer waren, in die Schranken zu weisen. Nach dem Sieg von Agnadello rückten seine Truppen gegen Venedig vor und schlossen die Stadt von der Landseite her ein. Doch Venedig versorgte sich über den Seeweg. Und trotz aller kaiserlichen Aufrufe, ihre pflichtvergessene Obrigkeit zu stürzen, verhielt sich die große Masse der Venezianer ruhig und loyal. Unterdessen merkten die Bewohner der venezianischen Untertanenstädte Padua, Vicenza und Verona, dass sie vom Regen der unbeliebten venezianischen Herrschaft in die Traufe der militärischen Besetzung und Ausplünderung geraten waren. Den Truppen der Serenissima fiel die Rückgewinnung der verlorenen Territorien daher leicht, zumal sie deren Eliten mehr Eigenständigkeit und Selbstbestimmung versprach.
    Der politische und militärische Umschwung begann in Padua. Die fremden Truppen wurden aus der alten Universitätsstadt vertrieben und mussten sich nach Verona zurückziehen. Dort zahlten die Florentiner den Abgesandten Maximilians die erste Rate der 40.000 fiorini, die die Republik nach langem Feilschen als Tribut ans Reich vereinbart hatte. Als Vettori und Machiavelli zwei Jahre zuvor darüber verhandelt hatten, war das Geld noch für Maximilians Romzug gedacht gewesen. Dieser hatte zwar nicht stattgefunden, doch das Geld wollte der Kaiser trotzdem. Und Florenz gab nach. Die Zeiten waren so unsicher, dass man das Reichsoberhaupt nicht vor den Kopf stoßen wollte, auch wenn ein politischer Nutzen für die Republik nicht erkennbar war.
    Am 10. November 1509 wurde Machiavelli nach Mantua geschickt, um die zweite Rate zu zahlen – mit 10.000 fiorini im Gepäck und nur zwei Kurieren als Geleitschutz! Doch die Übergabe des Geldes war nur der eine Zweck der Reise; wie immer sollte der Zweite Kanzler auch die politische und militärische Lage erkunden und sich daher von Mantua ins venezianischkaiserliche Kampfgebiet nach Verona begeben. Diese letzte Etappe gestaltete sich schwierig. Während Machiavelli unterwegs war, fiel auch Vicenza vom Kaiser ab. Auch Verona, so Machiavelli, würde bald unter venezianische Oberhoheit zurückkehren. Im Gegensatz zu den Patriziern, die es nach mehr Selbständigkeit gelüste, trauere das Volk der milden Herrschaft der Markusrepublik nach. Der Umsturz war also nur noch eine Frage der Zeit, zumal Maximilian vergeblich auf die Hilfe Frankreichs wartete: Von zwei Königen könne der eine Krieg führen, wolle aber nicht; der andere hingegen wolle gerne, könne aber nicht. Respektloser spottete niemand über die gekrönten Häupter Europas.
    Abenteuer in Verona
    Spottlustig wurde Machiavelli immer dann, wenn er sich unterschätzt und unterfordert fühlte. Genau das war im winterlichen Verona der Fall. Der Kaiser, von widerstreitenden Entschlüssen wie üblich hin und her gerissen, musste den Rückzug antreten. Damit gab es keinen Grund mehr für den Aufenthalt des

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