Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
Vom Netzwerk:
französischen Seite. Bologna war verloren, die Kirche gespalten und Julius II. erneut schwer erkrankt. Machiavellis optimistische Einschätzung vom Sommer, dass man den Papst in die Knie zwingen könne, schien sich zu bewahrheiten. Doch hatte er auch geschrieben, dass die päpstliche Machtstellung unzerstörbar sei, weil das andächtige Europa sie von Gott selbst ableitete. Zudem hatte er Julius II. als einen Besessenen charakterisiert, der niemals aufgab, wenn seine Ehre auf dem Spiel stand. Dieses Urteil bestätigte sich im Moment der höchsten Bedrängnis.
    In scheinbar aussichtsloser Lage fand der Papst den einzig richtigen Gegenzug: Er berief selbst ein Konzil ein, und zwar nach Rom in den Lateran. Damit durchkreuzte er die Veranstaltung der frankreichtreuen Kardinäle, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Jetzt mussten sich die Kleriker in ganz Europa entscheiden, welche Kirchenversammlung legitim war. Bei dieser Abwägung sprach alles gegen Pisa und für den Lateran: Julius’ Konzil konnte die Macht der Tradition und die Autorität des kirchlichen Rechts für sich geltend machen. Zudem mussten die Kardinäle und Prälaten, die sich für den französischen König entschieden, mit den schwersten Repressalien rechnen. Auch der Blick in die Geschichtsbücher legte ein Votum für das päpstliche Konzil dringend nahe: Abspaltungen von Rom hatten sich in den letzten zwei Jahrhunderten nicht bewährt. Alle «Schismatiker» (Spalter), wie sich die Abweichler von offizieller Seite schimpfen lassen mussten, waren entweder als Ketzer verfolgt worden oder als isolierte Sektierer geendet und im besten Fall als reumütige Sünder in den Schoß der allein seligmachenden Papstkirche zurückgekehrt.
    Das alles verhieß den «Pisaner» Kardinälen und damit auch Florenz nichts Gutes. Wie hatte die Republik nur ihre Einwilligung dazu geben können, dass das französische Konzil ausgerechnet in der Stadt zusammenkommen sollte, die sie nach fünfzehnjährigem Kampf ohne wesentliche französische Hilfe kurz zuvor zurückgewonnen hatte? War den Patriziern am Arno nicht klar, dass sie damit den cholerischen Greis im Vatikan zur Weißglut reizten?
    Machiavelli hatte Florenz von Blois aus zu einer schnellen und eindeutigen Entscheidung aufgefordert. Diese war jetzt gefallen, und zwar so, wie sie Machiavelli dringend nahegelegt hatte. Wer «Frankreich» sagte, musste auch «Pisa» sagen. Ludwig XII. wollte das Konzil in Pisa, um seinem Kontrahenten in Rom das Messer auf die Brust zu setzen. Florenz musste daher gute Miene zu einem Spiel machen, das den Verantwortlichen immer unheimlicher wurde.
    Auf diesem Schachbrett war Niccolò Machiavelli erneut ein Bauer. Der französische König bestimmte die Strategie, der Sekretär der Republik hatte vorzurücken. Schon im Mai 1511 verschlug es ihn in das Felsennest Monaco, wo Luciano Grimaldi aus einem Zweig der gleichnamigen genuesischen Adelsfamilie als «Stadtherr» einen Piratenstützpunkt befehligte. Für diesen maritimen Raubritter mit französischer Anbindung war der Chef der Zweiten Kanzlei als Botschafter gut genug. Ein einziges Mal durfte sich Machiavelli mit diesem hochtrabenden Titel schmücken. Mit Grimaldi sollte er ein Abkommen schließen, das diesem Freibeuter die freie Benutzung der toskanischen Häfen garantierte. Doch im letzten Moment ließen sich die Dieci di Balìa von Bedenken umstimmen: Ein solches Bündnis verstieß gegen alle Regeln der christlichen Seefahrt und würde die Ehre der Republik beschädigen. Also wurde Machiavelli ein Kurier nachgesandt, der die ursprünglichen Instruktionen annullierte. Die mühsame und peinliche Reise nach Monaco blieb dem «Botschafter» dennoch nicht erspart. Von dort kehrte er, wie befohlen, ohne «Handelsabkommen» nach Florenz zurück.
    Diplomatische Poesie
    Trotz seiner Beanspruchung als Diplomat fand der Chef der Zweiten Kanzlei erneut die Zeit, sich als Poet zu betätigen. Sein Sinngedicht «Vom Ehrgeiz» zählt immerhin 187 Verse und ist Luigi Guicciardini, dem Empfänger des pornographischen Briefs aus Verona, gewidmet. Diese Zueignung machte schon vom Titel her Sinn: Die beiden politisch und intellektuell äußerst aktiven Brüder Luigi und Francesco Guicciardini waren für ihren Ehrgeiz bekannt und berüchtigt. Francesco Guicciardini verfasste sogar eine eigene Abhandlung zu diesem Thema, in der er den guten, von der Einhaltung der politischen Spielregeln gelenkten Ehrgeiz einer Klugheitselite zum Lebenselixier der

Weitere Kostenlose Bücher