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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Menschen meistens über das Ausmaß der Liebe, das ihnen andere entgegenbringen.[ 58 ]
    Dass die Pazzi-Verschwörung im Frühjahr 1478 nicht aufgedeckt wurde, sondern nur mangels professioneller Meuchelmörder zur Hälfte scheiterte, war laut Machiavelli ein Wunder. Das war seine Standard-Erklärung, wenn ein Ereignis seinen Erklärungsrahmen sprengte. Das aus der Geschichte abgeleitete Gesetz, wie er selbst es aufstellte, aber besagte, dass Verschwörungen, die von mehr als drei oder vier zu allem entschlossenen Konspirateuren angezettelt werden, scheitern müssen, und zwar zu Recht:
Verschwörungen hingegen, die wenig Aussicht auf Erfolg haben, darf und muss man rücksichtslos unterdrücken.[ 59 ]
    Damit war das Urteil über Capponi und Boscoli gesprochen: Sie gingen zu Recht zugrunde. Auch bei Verschwörungen entscheidet für Machiavelli allein der Erfolg, Moral kommt nicht ins Spiel. So ist es äußerst unwahrscheinlich, dass er sich in das dilettantische Komplott vom Februar 1513 verwickeln ließ.
    Ein Freund in der Not
    Mit der Wahl von Giovanni de’ Medici zum Papst wandelten sich die politischen Verhältnisse in Florenz einschneidend. Von jetzt an regierte der Chef der Familie als Oberhaupt der Christenheit in Rom. Als «Stellvertreter» ließ er seinen Bruder Giuliano und dessen Neffen Lorenzo, den zwanzigjährigen Sohn des 1503 ertrunkenen Piero, in Florenz zurück. Wer von diesen beiden die nominelle Führungsstellung bekleiden würde, war nicht ausgemacht. Nach dem Gesetz der «Erbfolge», wie sie in regierenden Dynastien üblich war, musste Lorenzo der Vorrang zukommen. Im Gegensatz zu seinem allgemein beliebten Onkel Giuliano galt er jedoch als hochfahrend, ehrgeizig und beeinflussbar. Besonders peinlich trat die Abhängigkeit von seiner Mutter Alfonsina Orsini hervor, die Großes mit ihrem Sohn vorhatte. Unter diesen Voraussetzungen war der hausinterne Machtkampf schnell entschieden. Der gutmütige Giuliano räumte das Feld und siedelte nach Rom über. Lorenzo und seine Berater hatten jetzt die schwierige Aufgabe, die Republik zu lenken. Lorenzos gleichnamiger Großvater hatte diese Aufgabe virtuos gemeistert und dadurch das Gros des Patriziats hinter sich gebracht. Doch wie Machiavelli so scharfsinnig bemerkt hatte: Der Zeitgeist wandelt sich, und bewährte Rezepte schlagen nicht mehr an. Zudem war Lorenzo der Prächtige Chef des Hauses und damit Herr seiner Entschlüsse gewesen. Sein Enkel hingegen galt nicht nur als Muttersöhnchen, sondern auch als Marionette des Papstes, bei dem alle Fäden zusammenliefen.
    Seit 1512 regierten die Medici deshalb immer misstrauischer, mit einem kleinen Kreis handverlesener Anhänger, und wurden deshalb immer unbeliebter. Viele hatten sich von der Wahl Leos X. Aufstieg und Reichtum an der Kurie erhofft. Wahr wurde dieser Traum nur für die wenigsten: Familien wie die Pucci und da Bibbiena, die sich den Medici über Generationen auf Gedeih und Verderb angeschlossen hatten, stiegen jetzt noch weiter empor und wurden mit Kardinalshüten belohnt. Doch die Mehrheit der primi ging leer aus, ganz zu schweigen vom Mittelstand. Die Florentiner zahlten sogar die Zeche. Denn Leo X. war zwar der Urenkel des großen Bankiers Cosimo de’ Medici, doch sein Verhältnis zum Geld war nicht von kaufmännischer Sparsamkeit, sondern vom Vorrang der Ausgaben bestimmt. Und die waren so hoch, dass die Kassen des Vatikans binnen Kurzem geleert waren und Florenz einspringen musste. Trotzdem feierte Florenz im März 1513 den Triumph seines «großen Sohnes».
    Ausnahmsweise hatte das Glück der Medici auch Machiavelli Glück gebracht. Er war frei und stand nicht mehr unter Anklage, wenn auch noch unter Beobachtung. Auf der anderen Seite hatte er sein Amt und sein Einkommen verloren. Wie sollte es weitergehen? In dieser Situation wandte sich der ehemalige Geschäftsträger der Republik an Francesco Vettori, seinen vorgesetzten Kollegen von einst. Dieser war Anfang 1513 als florentinischer Botschafter nach Rom entsandt worden. Solange Julius II. lebte, war das ein Schlüsselposten. Mit der Wahl Leos X. verlor er jedoch jeden Sinn. Wozu brauchten die Florentiner jetzt noch einen Gesandten beim Papst, der ohnehin in Florenz alles entschied?
    Sie brauchten ihn, damit er ein gutes Wort für diejenigen einlegte, die nicht in der Gnadensonne der Medici standen. Das machen die Briefe deutlich, die Machiavelli nun an seinen Freund in Rom richtete: Zwischen dem 13. März 1513 und dem

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