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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Untergang des governo largo gemeint sein. Damit wies Vettori sein Gegenüber diskret, aber unmissverständlich darauf hin, dass er nicht der einzige Gesinnungs-Republikaner mit patriotischen Gefühlen in Florenz war. Das war eine subtile Zurechtweisung an die Adresse Machiavellis, der nur an sich dachte und seine Wunden leckte. Dass sich jegliche Intervention zu dessen Gunsten vor dem 11. März 1513 verbot, zeigt, wie schwerwiegend der Verdacht gegen ihn gewesen sein muss. Und ein weiteres Motiv klingt an:
Jetzt, lieber Freund, habe ich Euch nur eins zu sagen: Seid guten Mutes, was diese Verfolgung betrifft, wie ihr es in ähnlichen Fällen zuvor getan habt, und seid zuversichtlich, denn die Dinge haben sich beruhigt, und das Glück dieser Leute (la fortuna di costoro) übersteigt jede Vorstellungskraft und Rede …[ 64 ]
    «Diese Leute»: Das waren die Medici, denen sich Fortuna wahrlich gewogen gezeigt hatte. Der siebenunddreißigjährige Kardinal Giovanni ging scheinbar chancenlos ins Konklave und kam als Papst wieder heraus. Wenige Monate zuvor hatte er noch in französischer Gefangenschaft geschmachtet. In der Zwischenzeit hatte ein fremdes Heer Florenz für seine Familie zurückerobert. So viel Glück musste einfach denjenigen, dem es zuteil wurde, freundlich stimmen. Machiavelli hatte also nichts mehr zu befürchten, auch wenn er weiterhin unter Aufsicht stand. Aufhorchen lassen musste ihn Vettoris ruppige Formulierung in Sachen der Medici: Ihr Glück ist nicht das Glück der Vettori. Wir standen und stehen ihnen nicht nahe genug, um mehr für dich tun zu können. Im Gegensatz zu Machiavelli fühlte sich Vettori bemüßigt, diese bittere Pille in Zucker zu packen. Sein Brief schloss mit der Aufforderung an den Freund, ihn in Rom zu besuchen, wann immer er wollte.
    Machiavelli antwortete postwendend. Dabei schlug er zunächst einen völlig veränderten Ton an:
Euer so liebenswürdiger Brief hat mich alle vergangenen Unannehmlichkeiten vergessen lassen. Und obwohl ich schon vorher der Liebe, die Ihr für mich empfindet, sicher war, war mir dieses Schreiben lieb und teuer. Ich danke Euch, so viel ich nur kann. Und ich bitte Gott, dass er Euch jeglichen Nutzen und mir die Gelegenheit gewährt, Euch meine Dankbarkeit erweisen zu können. Denn ich kann sagen, dass ich den Rest von Leben, der mir noch verbleibt, dem prächtigen Giuliano und Eurem Paolo verdanke.[ 65 ]
    Auf die Beteuerungen ewiger Dankbarkeit folgte der emotionale Kälteschock: In einer ätzenden Kehrtwendung stellt Machiavelli fest, dass er seine Rettung anderen zu verdanken habe, nicht Vettori, von dem er sie erwartet hätte. Dessen Aufforderung, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken, konterte er nicht weniger kühl und stolz:
Und was eure Aufforderung betrifft, dem Schicksal die Stirn zu bieten, so seid hinsichtlich meiner ausgestandenen Pein völlig unbesorgt: Ich habe ihm so sehr die Stirn geboten, dass ich mich selbst dafür mehr liebe, als ich je für möglich gehalten hätte. Und wenn es diesen unseren Herren (questi patroni nostri) gefällt, mich nicht mehr zu bannen, so ist es mir recht, denn ich glaube mich so bewähren zu können, dass sie allen Grund haben werden, sich darüber zu freuen. Und wenn sie es nicht wollen, so werde ich wie bisher leben …[ 66 ]
    Damit waren die Verhältnisse geklärt. Machiavelli war der Ansicht, dass ihm Vettori mehr schuldete, als er bislang für ihn getan hatte. Vettori hingegen ließ sich kein schlechtes Gewissen machen. Er wollte sich auch weiterhin für Machiavelli einsetzen, doch nicht als Wiedergutmachung für versäumte Dienste, sondern aus reiner Freundschaft.
    Trotz dieser Differenz war damit die Grundlage für einen Meinungs- und Erfahrungsaustausch geschaffen, in dem sich beide Seiten persönlich und politisch keine Zurückhaltung auferlegen mussten. Mit dieser Offenheit hatte Vettori den Anfang gemacht. Machiavelli nahm sie dankbar auf. Seine Formulierung «questi patroni nostri», mit der die Medici gemeint waren, war der Sprache der Klientelverhältnisse entlehnt und zugleich ironisch gebrochen. Die Medici – so viel brachte diese Wendung zum Ausdruck – waren die Herren von Florenz, doch nicht über individuelle Schicksale. Ob sie ihn wieder in Dienst stellten oder endgültig fallenließen, Niccolò Machiavelli war entschlossen, sich selbst treu zu bleiben. Das sah Vettori, der Botschafter ohne besondere Verwendung, genauso.
    Machiavellis prekärer Status in Florenz wurde daher in der

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