Macho-Mamas
Drogen zu produzieren. «Was tut ein Mann, Walter?», fragt er White. «Ein Mann sorgt für seine Familie. Und das tut er sogar, wenn er nicht geschätzt wird, oder respektiert, oder sogar geliebt. Er tut es ganz einfach, weil er ein Mann ist.»
In Walter White wird Männlichkeit anhand der Vaterrolle durchgespielt. Beim Versuch, mit allen Mitteln seine Familie zu retten, scheitert er. Als Drogenbaron verliert er die Kontrolle, er muss töten und seine Familie belügen. Er nimmt es auf sich, weil er überzeugt ist, bald zu sterben. Doch dann erhält er eine überraschend gute Diagnose für seinen Lungenkrebs. Plötzlich verkehrt sich alles: Wo er dachte zu verlieren, hat er gewonnen, wo er glaubte, seiner Pflicht zu gehorchen, droht er alles zu verlieren: seine Familie.
Die Väter von heute stecken in der Haut von Walter White. Familie zu haben bedeutet eine Situation, die man nicht kontrollieren kann. In der traditionellen Rolle des Ernährers allein, laufen sie heute Risiko, alles zu verlieren. Deshalb brauchen sie ein neues, positives Vaterbild. Eines, das die Sorge für die Familie und für das Bankkonto einschließt. Sie müssen ihren Ort irgendwo zwischen Vollzeit-Ernährer und Teilzeit-Hausmann finden. Die Väter müssen endlich mit anpacken und in der Rolle des aktiven Vaters das Selbstvertrauen entdecken, mit dem sie den Macho-Mamas Paroli und Partnerschaft bieten können. Der neue Vater ist das fehlende Stück der Emanzipation.
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Die doppelte Ernährerin
Am Anfang steht der Mythos. Oder das Märchen. Auch hier könnte eins stehen: das Märchen der Macho-Mama. Von gelungener Emanzipation würde es berichten, von perfekter Work-Life-Balance, glücklicher Mutterschaft, überwundenen Widersprüchen und Versöhnung. Doch weil Macho-Mamas mit denselben inneren Konflikten kämpfen wie die meisten berufstätigen Mütter, wäre ein solches Märchen eine Lüge.
So wie die Powerfrau letztlich bloß eine Märchenfigur ist. Sie wurde in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kreiert: stark, gepflegt, erfolgreich, selbstbewusst. In den Neunzigern kam auch noch das Attribut sexy hinzu. Die Faszination an dieser neuen Frau war groß. Sie war eine Erfindung der Zeit und passte zu ihr: Der Dienstleistungssektor blühte, die Erwerbsquote stieg, und das moderne Individuum, das sich eben erst selbstverwirklicht hatte, unterwarf sich nun dem Leistungsdiktat. Plötzlich waren sie überall, die neuen Powerfrauen, emsig folgten sie den Geboten körperlicher und geistiger Mobilmachung, formten ihre Figuren in der Mittagspause zu Hardbodys und beteiligten sich auch sonst an den Höchstleistungen der hedonistischen Gesellschaft. Den Tüchtigen winkte das Glück.
Die Powerfrau war eine Werbebotschaft. Ein Wachstumsversprechen, das unverdächtig blieb, solange es sich in der weiblichen Domäne entfaltete und die männliche nicht zu arg bedrängte. Das Wirtschaftsmagazin Cash etwa porträtierte 2002 unter dem Titel «Alles andere als ein Lieschen» eine Kosmetikunternehmerin mit den Worten: «Sie ist eine temperamentvolle Frau, aber das alleine macht sie noch nicht zur Powerfrau.» Was genau sie dazu macht, ist dem Artikel zwar nicht zu entnehmen, dafür listet er detailliert auf, was die Frau alles leistet: endlose Arbeitsschichten, das Pensum eines Heers von Angestellten. Zu schweigen von den Millionenumsätzen, die sie in ihrem Kleinunternehmen erwirtschaftet. Auch die Annabelle stemmte 2011 die Powerfrau noch einmal zum Trend hoch und merkte dazu an: «Auf Helmut Newtons Bildern wirken Frauen trotz viel nackter Haut und lasziver Haltung nie unterwürfig, sondern immer unabhängig und selbstbewusst.»
Es werden wohl die letzten Ehren für die Powerfrau gewesen sein. Denn mit der weiblichen Realität des 21. Jahrhunderts hat sie so viel zu tun wie Lara Croft mit Mutter Teresa. Seit erfolgreiche Frauen kein Weltwunder mehr sind, sondern eine Normalität, hat sich die Faszination für die Power der Frauen in eine kollektive Angst verflüchtigt. Dies- und jenseits des Atlantiks wird weibliche Stärke plötzlich zum Problem: Die Frauen wollen nicht mehr gebären und nicht mehr heiraten, sie ziehen die Samenbank dem Altar vor und sorgen für das «Ende des Mannes». So ungefähr lautete die Bilanz der meistdiskutierten Titelgeschichten tonangebender Zeitschriften im Jahr 2011. Würden Powerfrauen tatsächlich mit Vollgas durch die Weltgeschichte rasen und sich nie bremsen lassen, dann bliebe ja nur die Frage,
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