Macho-Mamas
Kinderbetreuung als befriedigend erfährt, sondern die Kinderpflege nicht mehr als Widerspruch zu seinem männlichen Selbstbild betrachtet. Und sich deswegen nicht als Weichei fühlt.
Die Frage, was ein richtiger Mann ist, scheint heute dringlicher denn je. Natürlich identifizieren sich einige Männer mit ihren Aufgaben zu Hause, ohne sich dadurch in ihrer Männlichkeit bedroht zu fühlen. Wer sich freiwillig für diese Rolle entschieden hat und seinen Monatslohn nicht als Prothese für sein Selbstbewusstsein braucht, befindet sich im Vorteil. Meistens entscheiden aber weniger die persönlichen Vorlieben als die Zwänge des Marktes darüber, wer in der Familie für das Geld und wer für die Kinder zuständig ist. Besonders dann, wenn die Rollenverteilung nicht frei gewählt ist, sondern sich unerwartet so ergeben hat, führt das rasch zu Schwierigkeiten. Geld ist in der Partnerschaft nach wie vor eng verknüpft mit dem Rollenverständnis. Sitzt die Frau am finanziell längeren Hebel, kann das bei Männern zu Versagensängsten führen, ein Muster, von dem nicht nur Paarpsychologen, sondern auch Soziologen zu berichten wissen. Am Ende fühlen sich weder die befreiten Alpha-Frauen noch ihre traumatisierten Beta-Gefährten in ihren neuen Rollen wohl, was gerade zu Hause oft zu einer Zementierung der alten Genderklischees führt.
Ein Sprichwort besagt, dass Männer sich in die Frau verlieben, die sie vor sich sehen, während Frauen sich in das Potential des Mannes verlieben – also in das, was aus ihm noch werden könnte. Deshalb sollen Männer Probleme damit haben, ihren Frauen Entwicklung zuzugestehen, während Frauen enttäuscht sind, wenn der Mann sich nicht weiterentwickelt. Darüber hinaus bewundern Frauen starke Männer. Auch wenn wir solche Küchenweisheiten nicht unbesehen als Naturkräfte zu akzeptieren brauchen, ist es fatal, die Kräfte der versteckten und offenen Stereotypen und Orientierungsbilder zu unterschätzen – wie es der Feminismus tat. Es braucht Stärke, sich von einer Macho-Mama nicht einschüchtern zu lassen, und diese Stärke einfach zu fordern, ohne sie realitätsnah zu mildern, wird nicht funktionieren.
Das Bild des Mannes in der modernen Gesellschaft erfährt in der Rolle des Vaters seine kritischste Prüfung. Männerbilder werden nicht zuletzt durch die Massenmedien verarbeitet und transportiert. Dabei lässt sich etwa in Fernsehserien aus den USA sehr schön beobachten, wie – konventionelle und neue – Männerbilder derzeit getestet und durchgespielt werden, in erfolgreichen Serien wie Mad Men , The Sopranos oder Breaking Bad . Alle drei handeln von Vätern mittleren Alters, deren Männlichkeit in Frage gestellt wird und die dabei ins Schleudern geraten. Und sie alle suchen Trost in maskulinen Stereotypen. Don Draper aus Mad Men genehmigt sich Sekretärinnen und Scotch, während Tony Soprano Zigarren und schnelle Autos bevorzugt und prinzipiell den Boss markiert. Walter White aus Breaking Bad beginnt als Softie und muss sich zum Mann wandeln. Tatsächlich zeigen alle diese Fernsehserien ein hohes Maß an intelligenter Ironie und soziologischer Einsicht, aber an der Geschichte von Walter White wird die Krise des Vaters am eindrücklichsten dargestellt.
White ist ein brillanter Chemiker, der aber nie den Biss hatte, aus seinen Fähigkeiten ein Geschäft zu machen. Sein Chef behandelt ihn schlecht. Die Hypothek auf dem Haus lastet schwer. Weil ihm sein Job nicht genügend einbringt, arbeitet er zusätzlich samstags in einer Autogarage. Sein siebzehnjähriger Sohn ist behindert, seine Frau ist schwanger, und er selbst erfährt nach einem Zusammenbruch, dass er Lungenkrebs hat. Ein Versager auf der ganzen Linie. Sein Leben lang war er höflich, freundlich, sozialverträglich und kein Macho. Mit dem Resultat, dass er weniger begabte Männer an sich vorbeiziehen lassen musste.
Als White mit seinem Tod konfrontiert wird, beschließt er, alle Regeln zu brechen. Er kauft sich ein fahrbares Chemielabor und beginnt, die tödliche Droge Crystal Meth herzustellen. Er gerät an Drogenbarone, die Polizei und schmierige Anwälte und gewinnt dabei seine Männlichkeit zurück. Die nutzt er aber nicht, um sich mit schönen Frauen und schnellen Autos auszurüsten, sondern um seiner Familie nach seinem Tod ein finanzielles Auskommen zu sichern. Schließlich trifft Walt einen Drogenboss, der sich als sanfter Familienvater und nüchterner Geschäftsmann gibt. Er will White dazu bringen, weiter
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