Macho-Mamas
ihre Stärken noch ausspielen sollen.
Auch wenn das nur mediales Geplänkel ist – es zeigt, dass der Wunsch nach neuen, anderen Geschlechterrollen mit alten Gendermythen konkurriert. Frauen wollen starke Männer und Männer keine dominanten Frauen heißt es kurzerhand, wenn mal wieder diagnostiziert wird, dass der neue Mann sich einfach nicht durchsetzen will. Am Ende ist man sich einig, dass man doch lieber alles beim Alten gelassen hätte. Das greift natürlich alles viel zu kurz, aber es zeigt, dass die Männer mehr zu bewältigen haben als bloß dominante Frauen. Sie müssen auch ihre eigene Version von Männlichkeit unter den neuen Voraussetzungen finden.
Der Philosoph Hans Ulrich Gumbrecht etwa beschreibt das weibliche Prinzip als eines der Sorge im Sinne von Sich-Kümmern, also einer beständigen «Zuwendung, die am Leben erhält und wachsen lässt». Die Sorge gilt dem Leben in seinen Verkörperungen, hat einen Ort und einen Raum – und manifestiert sich nicht zuletzt im weiblichen Körper, in dem das Baby heranwächst. Sie beschreibt auch die Rolle, welche Frauen traditionell und bis heute meistens zugeschrieben wird. Das komplementäre «männliche» Prinzip zur Sorge ist das Handeln. Wer handelt, der greift in die Gegenwart ein, um eine zukünftige Situation herbeizuführen. Er muss entscheiden und Verantwortung übernehmen. Wer handelt, macht sich angreifbar. Wer die Welt hervorbringen will, muss Sorge tragen. Auf die Familie bezogen wird klar, dass beide Prinzipien miteinander verschränkt sind. Es braucht dafür sowohl fürsorgende Pflege wie auch wirtschaftliche Versorgung. Die Frauen haben den Handlungsspielraum in ihr weibliches Selbstbild integriert. Aber den Männern fällt es schwer, ein Selbstbild zu entwerfen, in dem Sich-Kümmern ihrer Männlichkeit nicht widerspricht.
Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Entwicklungen das Selbstbild des Mannes unterminieren. Die Arbeitsbedingungen verändern sich, sind unsicherer geworden, gefordert sind nicht nur Leistungsbereitschaft, sondern auch Fähigkeiten wie Teamgeist und Sozialkompetenz. Die Banken- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre hat vor allem männlich geprägte Branchen getroffen. In Amerika wurde dafür der Begriff Mancession erfunden, womit gemeint ist, dass einundsiebzig Prozent der Entlassungen zwischen 2007 und 2009 Männer betrafen. Mancession bezeichnet aber auch eine ideologische Krise. Das Bild vom Mann als testosterongetriebene Kampfmaschine ist zwar ein Klischee – aber durchaus ein wirksames. Männer werden noch immer als wortkarge Raubtiere, Muskelpumper und Biertrinker oder notgeile Karrieristen mit einer Püppchenfrau am Arm porträtiert. Die Banken- und Schuldenkrise hat deutlich gemacht, dass gerade die Männer an den Schaltstellen der Macht dem Bild auch oft genug entsprechen. Die Wurzeln unserer kollektiven Vorstellung von Männlichkeit scheinen in unserer fernen animalischen Vergangenheit zu liegen, stehen jedenfalls immer noch in voller Blüte. Doch damit ist man schlecht gerüstet für die Anforderungen, die eine höher entwickelte und vielfach komplizierte Welt an uns stellt.
Wir brauchen die männliche Emanzipation. Und die beginnt in der Familie. Bei der Vaterschaft. Denn wenn Männlichkeit Vaterschaft umfasst, und so ist es immer noch für eine Mehrheit der Männer, dann braucht es endlich eine neue Definition dieser Rolle. Wir benötigen ein neues Modell von Männlichkeit, das Abhängigkeit, Verletzlichkeit und Leidenschaft zulässt, ohne den Allesversteher und den Schattenparker aus den siebziger Jahren zu reaktivieren. Männer müssen ihr Testosteron nicht verleugnen, aber nicht nur für die Zeugung, sondern anschließend auch für die Familienverantwortung fruchtbar machen. Die darin schlummernde Energie können wir dort gut gebrauchen.
Die neuen Väter
Dass Vaterschaft mehr als bloß finanzielle Verantwortung für die Familie bedeuten sollte ist eine relativ neue Forderung. Der bürgerliche Vater war im Wesentlichen ein unzugänglicher und oft mürrischer Zeitgenosse. Im 18. Jahrhundert noch ein Familienpatriarch, wandelte er sich mit der zunehmenden Industrialisierung zum Arbeitervater am Rande der körperlichen Versehrtheit, um im Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre als stolzer Alleinernährer und Chef des Kleinstunternehmens Familie wiedergeboren zu werden. Gemeinsam ist diesen Entwicklungsphasen, dass sie den Mann über die Arbeit definierten, über die wirtschaftliche Potenz, eine Familie zu
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