Macho Man: Roman (German Edition)
elegant: Der Geschlechtsverkehr wird einfach impliziert und das Gehirn mit einer simplenFrage von dummen Überlegungen – wie zum Beispiel »Hat das Kondom in meinem Portemonnaie eigentlich schon das Haltbarkeitsdatum überschritten?« oder »Ist es für einen Deutschen nicht aus historischen Gründen problematisch, in eine Ausländerin einzudringen?« – abgelenkt. Das Problem ist nur: Es ist sinnlos, Aylin in der Ferienwohnung eines norddeutschen Bauernhofes »Zu dir oder zu mir?« zu fragen.
Während ich so nachdenke, verschwindet Aylin im Bad; die alte Holztür hat sich so verzogen, dass man auch im geschlossenen Zustand einen Spaltbreit hindurchschauen kann. Ich möchte auf keinen Fall zum Voyeur werden, aber die Nackenmuskeln drehen meinen Kopf wie von Geisterhand gesteuert in Richtung Türspalt, sodass ich mitbekomme, wie Aylin ihren BH auszieht, und zum ersten Mal einen kurzen Blick auf ihre nackten Brüste erhasche. Da ich sie schon im Bikini sehen durfte, ist es keine Überraschung mehr, dass sie absolut perfekt sind. Meine Kehle wird trocken, mein Atem schwer, und ich wende mich verzweifelt an das letzte bisschen Verstand, das mir geblieben ist, um mir einen Satz zurechtzulegen – mehrere Alternativen kommen mir in den Sinn:
• Ich finde beim Auspacken meiner Tasche zufällig die Kondome und sage: »Och, guck mal, was ich dabeihabe! Das ist ja lustig!« (Unelegant, und lustig ist es auch nicht; man sollte Sex und Humor immer trennen. Ich weiß, wovon ich spreche; ich habe meine Exfreundin nach dem Sex einmal mit der Stimme von Helmut Kohl gefragt: »Und? Wie war ich?« Danach lief drei Wochen gar nichts mehr.)
• Ich erkundige mich unverbindlich nach ihren sexuellen Vorlieben. (Bescheuert. Man kann sich nicht unverbindlich nach sexuellen Vorlieben erkundigen.)
• Ich nehme ein Buddelschiff in die Hand und sage: »Was hältst du davon, wenn ich meinen Einmaster mal in deiner Flasche platziere?!« (Wenn ich irgendwann mal den Auftrag bekomme, die Dialoge für einen norddeutschen Billigporno zu schreiben, kann ich auf diesen Satz zurückgreifen; ansonsten hoffe ich inständig, dass Aylin keine Gedanken lesen kann.)
•Ich sage: »Aylin, mein Über-Ich und mein Ich sehen das Thema Geschlechtsverkehr einigermaßen locker, aber mein Es hat die beiden als Geiseln genommen und droht damit, das Über-Ich zu erschießen, wenn wir nicht kooperieren.« (Wie gesagt, Sex und Humor sollte man trennen.)
Gleichzeitig versuche ich mich verkrampft zu erinnern, was ich damals im Wartezimmer beim Zahnarzt im Männermagazin Matador gelesen habe, während ich auf die Paradontose-Prophylaxe gewartet habe. Dort gab es eine Liste: »Zehn todsichere Methoden, sie ins Bett zu kriegen«. Aber das Einzige, was mir jetzt einfällt, ist der Hinweis meines Zahnarztes, ich müsse mein Zahnfleisch jeden Abend zwei Minuten mit einer elektrischen Zahnbürste massieren.
Ah, jetzt hab ich's: Man soll der Frau beim Küssen in den Hals beißen! Oder war's der Nacken? Und dann sollte man sich langsam nach unten arbeiten und mit einer elektrischen Zahnbürste den Belag von ihren Brustwarzen – Schwachsinn! In diesem Moment kommt Aylin in einem harmlosen Bärchenschlafanzug aus dem Badezimmer. Bärchenschlafanzüge sind der Keuschheitsgürtel des 21. Jahrhunderts. Sie zeigen unmissverständlich an: Heute läuft nichts.
»Daniel, nimmst du das blaue Schlafzimmer? Dann geh ich ins orange.«
Jetzt verraten meine Augen doch viel mehr, als mir lieb ist. Das ist der Ich-bin-enttäuscht-weil-wir-keinen-Sex-haben-werden-Blick. Den beherrsche ich wie kaum ein Zweiter, und ich habe ihn schon oft erfolgreich anbringen können. Aylin schaut mich an.
»Oh, du hast gedacht, dass wir...«
»Ich? Was hab ich gedacht? Dass wir ... Ach das?! Nein, ich hab gar nichts gedacht. Ich hab nur gedacht... Nein, ich habe doch nichts gedacht.«
»Weißt du, Daniel... Also, ich bin eigentlich nicht so traditionell, du weißt ja: Schweinefleisch und Alkohol – kein Problem. Aber das ... Ich hoffe, du bist nicht böse, aber ich fände es total romantisch, wenn wir bis zur Hochzeitsnacht warten würden.«
»Bis zur Hochzeitsnacht???«
Unwillkürlich zeige ich blankes Entsetzen. Ich überlege, ob wir nicht schnell den Dorfpfarrer für eine Blitzhochzeit wach klingeln können. Ja, das müsste klappen. Die Kirche ist keine 200 Meter von unserem Bauernhof entfernt; wenn er sich schnell die Kutte überwirft, wären wir in einer halben Stunde vermählt, und dann
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