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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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gesehen?«
    So viel zu meinen sexuellen Prahlereien. Das ist halt nichts für Kinder von Intellektuellen. Mein Vater gibt höchstens damit an, dass er beide Bände von Peter Sloterdijks Kritik der zynischen Vernunft gelesen und verstanden hat, also wo sind meine Vorbilder? Ich habe eine schwache Ahnung, dass Cem eins werden könnte. In diesem Moment kommt gerade der silberne Jubilar an unseren Tisch.
    »Äh, Entschuldigung, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, etwas leiser zu telefonieren?«
    Er hat so höflich und dezent gesprochen, dass Cem es gar nicht mitbekommen hat:
    »Wie, und dann noch mal??? Was für ein Hengst, Vallaha!!!«
    Ich zupfe Cem am Ärmel und mache ihn auf den ratlosen Jubilar aufmerksam.
    »Du, warte mal Ali... Ja?!«
    »Entschuldigung, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, etwas leiser zu telefonieren?«
    »Klar, kein Problem. Ali, ich ruf dich zurück ... Hadi tschüss, du Hengst!«
    Ich lächle dem Jubilar noch einmal zu. Dieser schleicht zurück zu seinen Gästen, denen die Silberhochzeitsfeier nicht als exquisites Fest mit köstlichem Essen und vorzüglichem Wein in Erinnerung bleiben wird, sondern als der Abend mit dem Analverkehr.
    Ich bin ein wenig erleichtert, als Aylin Cem Vorwürfe macht, dass er sich danebenbenommen hat und seine Sexgespräche anderswo führen soll. In dem Moment bemerkt Cem den ungewohnten Ring an Aylins Finger.
    »Was ist das?«
    »Daniel hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will ... Und ich habe Ja gesagt.«
    Kurz darauf trifft mich wieder die geballte Kraft türkischer Männerfreude. Cem jubelt laut, umarmt mich und klopft mir auf die Schulter, die sich von der Kaffeesatzlesefreude noch nicht ganz erholt hat. Diesmal habe ich das Gefühl eines Kapselrisses. Dann setzt sich Cem wieder und ist sehr aufgeregt.
    »Vallaha Daniel, ich freue mich. Wow! Ihr heiratet... Du hast wirklich Glück, dass ich so tolerant bin! Weißt du, andere türkische Brüder...«
    Diesmal stoppt Aylin ihn nur mit einem strafenden Blick. Cem ringt kurz mit seinem männlichen Stolz, dann wechselt er einfach das Thema:
    »Habt ihr Mama und Papa schon Bescheid gesagt?«
    »Nein. Daniels Eltern haben ja noch nicht um Erlaubnis gefragt.«
    Ich erfahre, dass es auch in weniger traditionellen Familien dochTradition ist, dass die Eltern des Bräutigams die Brauteltern um Erlaubnis fragen. Eine Formsache zwar, und nicht wichtig, aber irgendwie doch wichtig. Ich will es schnell hinter mich bringen und rufe bei meinen Eltern an. Meine Mutter ist am Apparat.
    »Hallo?«
    »Hallo, Erika, hier ist Daniel.«
    Meine Eltern fanden »Mama« und »Papa« zu spießig, deshalb rede ich sie immer mit ihren Vornamen an. Als ich mit 15 zum ersten Mal eine andere Erika kennengelernt habe, war das ganz seltsam, als würde ich zu einer fremden Frau »Mama« sagen.
    »Oh, hallo Daniel. Schön, dass du dich mal meldest. Wie geht's?«
    »Gut, ich, äh ... ja, gut. Und dir?«
    »Gut... Und dein Asthma?«
    »Im Moment nicht so schlimm.«
    »Okay. Aber hast du immer dein Spray dabei, ja?«
    »Ja.«
    »Du weißt, was der Arzt gesagt hat.«
    »Ja.«
    »Was hat er denn gesagt?«
    »Dass ich das Spray immer dabeihaben soll.«
    »Genau. Und du hast es auch wirklich immer dabei?«
    »Ja.«
    »Und du musst das Gehäuse regelmäßig reinigen.«
    »Ja. Und was macht ihr so?«
    »Ich war gerade mit deinem Vater in einem Flötenkonzert.«
    »In einem Flötenkonzert.«
    »Ja, eine Chinesin hat ein Werk von Stockhausen für Querflöte umgeschrieben und dazwischen Zitate aus der Mao-Bibel gebrüllt.«
    »Ah.«
    »Dabei saß sie auf einer Art elektrischem Stuhl, der aber von Moos bewachsen war – das Werk eines georgischen Künstlers.«
    »Aha.«
    »Und sie war nur mit Zellophanfolie bekleidet, dadurch sah es ein bisschen aus wie eine flötende Fleischwurst – aber auf jeden Fall sehr interessant...«
    »Ah.«
    »Wu Li Hang hieß sie. Oder so. Vielleicht auch Wi Lu Hong.«
    »Aha.«
    »Und was machst du so? Bist du zu Hause? Wie läuft es mit der Arbeit? Hast du schon Sommerreifen drauf? Warst du im neuen Wim-Wenders-Film? Soll ich dir was zu essen vorbeibringen? Wie findest du eigentlich diesen Obama? Also, ich finde ihn toll, vor allem, weil er schwarz ist. Aber reden kann er auch.«
    »Ich will heiraten.«
    »Ich meine, ich war auch für Hillary Clinton, weil sie eine Frau ist. Aber Obama hat einfach mehr Charisma, obwohl dein Vater meint, er würde nur oberflächliche Floskeln daherbrabbeln, die irgendein Hollywood-Autor

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