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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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... Moment, ich bin konfessionslos und Aylin islamisch – Daniel, vergiss den Pfarrer, du brauchst einen Standesbeamten! Verdammt, warum habe ich unsere Geburtsurkunden nicht dabei??!!
    Diese Überlegungen verbalisiere ich natürlich nicht und sage stattdessen:
    »Klar, wir warten bis zur Hochzeitsnacht. Warum nicht? Kein Problem... Sicher, das wäre echt romantisch, auf jeden Fall.«
    »Ich wusste, dass du so reagierst. Du bist einfach etwas ganz Besonderes... Gute Nacht!«
    Aylin gibt mir einen langen Zungenkuss und verschwindet in ihrem Zimmer. Wenn man mit einem sexuell erregten Mann nicht schlafen will, sollte man ihm nicht unbedingt einen Zungenkuss geben. Da geschehen nun einmal chemische Reaktionen, die für die Nichtdurchführung von Sex kontraproduktiv sind ... Sicher, Selbstbefriedigung wäre jetzt eine denkbare Option, aber nicht nach diesem perfekten romantischen Heiratsantrag, das passt einfach nicht. In Rosamunde-Pilcher-Filmen macht das auch keiner.
    Also versuche ich, meiner Libido mit der Kraft meiner Gedanken Herr zu werden. Einmal mehr rufe ich den Barbarossaplatz vor mein geistiges Auge. Aber im Moment finde ich sogar die Erinnerung an die weibliche Stimme erotisch, die vor einer Woche an der Straßenbahnhaltestelle ebenso blechern wie rheinisch aus einem Lautsprecher dröhnte: »Aufjrund eines Falschparkers kommt es im Bereisch der Linie 12 zu Fahrplanunrejelmäßischkeiten.«
    Schließlich nehme ich eine kalte Dusche. Irgendwie ist es demütigend, dass ein paar Liter Wasser erfolgreich sind, wo der Intellekt trotz Lektüre des Buches Heilung durch Gedankenkraft versagt. Vielleicht sollte ich mir doch irgendeinen Mentaltrainersuchen. Dann kann ich über glühende Kohlen gehen, Holzbretter mit der Handkante durchhauen – und bis zur Hochzeitsnacht durchhalten.

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    20
    Ich sitze wieder mit Aylin im Haus Müller in der Kölner Südstadt, und während Aylin immer noch tapfer versucht, die 178 Anrufe von Familienmitgliedern zu beantworten, die während unseres Nordseetrips auf ihrer Mailbox eingegangen sind, lese ich erschrocken im Express, dass der neue Geißbock des 1. FC Köln, Hennes VIII., vor Kurzem kastriert wurde. Was zur Hölle ist das denn für eine Symbolik?! Der Geißbock ist sowieso schon ein Weichei-Maskottchen. Andere Vereine haben gefährliche Wildtiere: Löwen, Wölfe, Panther – Angst einflößend. Und mein Verein? Ein niedliches Knuddelböckchen. Und das hat jetzt nicht einmal mehr Eier – ich fasse es nicht. Da wirkt ja selbst das Zebra vom MSV Duisburg noch cooler – das ist wenigstens in der Steppe gut getarnt.
    Direkt vor uns ist ein langer Tisch festlich gedeckt; eine schicke Südstadt-Gesellschaft hat Platz genommen. Anhand einer kurzen sentimentalen Rede bekomme ich mit, dass es sich um eine Silberhochzeit handelt. Ob Aylin und ich auch irgendwann unsere Silberhochzeit feiern? Ein schöner Traum ... Allerdings wären bei der Feier mindestens 500 Gäste mehr dabei.
    Aylins Bruder Cem kommt »zufällig« vorbei. Natürlich weiß er, wo Aylin gerade ist, denn etwa 30 Prozent der türkischen Familientelefonate gehen drauf, um sich den jeweiligen Aufenthaltsort mitzuteilen:
    »Sag mal, wo bist du gerade?«
    »Ich bin im Kaufhof, im zweiten Stock, wenn du an den Handtüchern vorbeigehst, da kommen die Klamotten für Kinder, und dann ist da die Rolltreppe, aber ich fahre jetzt hoch in den drittenStock, wo die Spielsachen sind, und dann geh ich hinten an den Jogginghosen vorbei zu den Turnschuhen ... Und du?«
    »Unter der Dusche ... Allah! Allah! Mein Handy wird nass!«
    Wenn man das umrechnet, bezahlt Aylin im Monat mindestens 40 Euro, nur um Familienmitgliedern mitzuteilen, wo sie gerade ist; weitere 40 Euro, um zu erfahren, wo sich die Familienmitglieder aufhalten; und schließlich noch gut 20 Euro, um zu sagen: »Hallo?! Oh, ich glaub, du bist in 'nem Funkloch ... Hallo? Haaalllooooo???«
    Cem praktiziert mit seiner Schwester und mir das obligatorische Küsschen-rechts-Küsschen-links-Begüßungsritual – natürlich unterbricht er dabei nicht sein Handygespräch. Er kommentiert gerade einen Erlebnisbericht:
    »Sag mal, Ali, hast du's ihr so richtig ...? Cool, und wie war sie so? Hat sie so richtig geschrien? Geil! Super, sana söyledim, mit der kannst du alles machen ...«
    Da Cem in der von zu Hause gewohnten Lautstärke spricht, erfährt auch die komplette Silberhochzeitsgesellschaft, was Ali für ein toller Stecher ist:
    »... und hast du ihr auch ... Super ...

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