Macho Man: Roman (German Edition)
man muss nicht mehr glauben.«
»Haha, sehr gut. Das stimmt natürlich.«
»Und außerdem: Gott, man kann beweisen.«
»Wie das denn?«
»Gucken Sie unsere Kinder an – ist das keine Beweis?!«
»Na ja, nicht im wissenschaftlichen Sinn.«
»Ach, Frau Hagenberger, Wissenschaft kommt jeden Tag neue Sachen. Was heute ist große Entdeckung, morgen ist falsch. Wissenschaft koste nur Geld, sitzen ganze Zeit mit Fernrohr, gucken in Himmel und finde gar nix.«
Meine Mutter und ich wissen genau, dass mein Vater diesen Satz niemals so stehen lassen kann. Schon sehen wir, wie er unruhig auf seinem Stuhl hin- und herrutscht und sich eine sprachlich elegante Replik überlegt. So lenkt meine Mutter das Gespräch schnell in eine andere Richtung:
»Eine wunderschöne Wohnung haben Sie! So ... authentisch.«
Die Gesichter von Aylins Eltern zeigen, dass sie mit dem Wort »authentisch« ebenso wenig anfangen können wie mit Enthüllungsbüchern über das türkische Militär. Ich habe kurz Angst, dass meine Mutter zu einem ihrer Monologe ansetzt, mit denen sie stets angespannte Situationen zu überspielen versucht. Nach wenigen Sekunden ist die Angst verflogen – denn der Monolog hat längst begonnen.
»Was ist das denn hier? Das riecht ja unheimlich lecker. Oh, ich glaube, da ist Knoblauch drin. Mmmm, ja, das ist Knoblauch! Ich liebe Knoblauch!!! Wissen Sie, viele Deutsche sagen immer, die Türken stinken nach Knoblauch, aber ich finde das gar nicht schlimm, ich rieche das gerne... Neulich hab ich in der Bahn neben einem Araber gesessen – was der alles an Gewürzen ausgedünstet hat, also ich hab mich direkt gefühlt wie auf dem Wochenmarkt in Kairo! Ich hab dem gesagt, wenn es seinen Körpergeruch als Raumparfüm geben würde, ich würd's sofort kaufen ... Da hat er gelacht, haha. Und was ist das hier? Oh, das ist Spinat in Joghurtsoße – hmmm, das schmeckt aber! Und da ist auch Knoblauch drin, toll. Und diese Klopse, sensationell! Viel feiner als unsere Klopse – hach, ich finde es einfach nur schön, dass Sie hier sind, in Deutschland. Also Sie natürlich ganz besonders, aber überhaupt die Türken, die haben uns so viel gebracht, allein in der Esskultur, und ich bin auf jeden Fall für den Bau der Moschee! Wir haben ja den Dom, warum sollen die Türken keine Moschee haben?! Und ich finde das so praktisch, dass man sich vor der Moscheedie Füße waschen kann, so was müsste es in unseren Kirchen auch geben, aber das Weihwasserbecken hängt dafür einfach zu hoch, haha. Und ist das nicht klasse, dass wir so wenig Nazis in Köln haben, also, ich habe seit Jahren keinen Nazi mehr gesehen – kein Wunder bei so vielen Türken, die würden sicher richtig Ärger kriegen, die Nazis, haha. Mmmm, und diese Oliven ... Sie müssen mir unbedingt sagen, wo Sie diese Oliven herhaben. Phantastisch, absolut phantastisch! Mmmmmm! Also, man müsste jeden Nazi zwingen, diese Oliven zu essen, dann hätte sich das mit der Ausländerfeindlichkeit sowieso erledigt; hach, man kann definitiv niemanden hassen, der einem solche Oliven ins Land holt.«
Ich habe schon erwähnt, dass ich auf gewisse Dinge in meiner Pubertät verzichtet habe. Zum Beispiel auch darauf, mich für meine Eltern zu schämen. Dafür kann ich es in diesem Augenblick hervorragend nachholen. Fast genieße ich es ein wenig, weil ich spüre, dass es meiner Entwicklung guttut.
Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass es noch schlimmer kommen könnte. Aber mein Vater schafft es mühelos, seinen Fauxpas mit dem Militärbuch zu toppen:
»Das Wort ›Olive‹ hat seine Herkunft übrigens im griechischen ελαια.«
Als er das Wort »griechisch« hört, versteinert sich die Miene von Herrn Denizoglu.
»Was soll das heißen, Olive kommt aus Griechenland?! Das sind türkische Oliven.«
»Das mag sein. Ich bezog mich nur auf das Wort ›Olive‹.«
»Das ist eine griechische Wort?«
»Ja.«
»Warum kann man denn keine eigene Wort haben? Warum muss man denn eine griechische Wort nehmen? Die Deutschen haben so viele Wörter, ich kann alles unmöglich lernen. Warum muss ausgerechnet für Olive eine griechische Wort sein? In der Türkei gibt viel bessere Oliven! Griechische Oliven schmecken wie Schafpisse. Weil, Griechen sind alle faul und schlafen ganze Tag, ernten Oliven nicht, wenn reif sind, sondern warten, bis runterfallen auf Boden, deshalb sind immer gemischt mit Schafpisse griechische Oliven.«
»Nun, ich habe mich zwar bisher nicht eingehend mit der
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