Macho Man: Roman (German Edition)
Olivenernte in Griechenland befasst, aber...«
Ich schaue meinen Vater flehend an. Vergeblich.
»... aber es ist so, dass viele griechische Wörter Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben.«
»Was? Noch mehr?«
»Ja. Zum Beispiel ›Atmosphäre‹ kommt vom griechischen ›Atmo‹.«
»Das nicht so schlimm – sage ich sowieso nie. Aber wie kann ich in Zukunft Oliven kaufen, wenn ich weiß, das ist griechisches Wort? Ach, ich kaufe Oliven sowieso lieber auf dem Markt bei Ozan Bey.«
»Das Wort ›Demokratie‹ stammt sogar von zwei griechischen Wörtern ab: δημσς und κρατσς.«
»Was jetzt? Demokratie kommt aus Griechenland?«
»Allerdings.«
»Eine Scheiße kommt aus Griechenland. Sind irgendwelche Penner an Regierung, fahren einmal in Jahr nach Brüssel, halten Hand auf, kriegen zehn Milliarden Euro, davon kaufen nur Waffen, um zu ballern Türken weg aus Zypern – und das ist dann große griechische Demokratie. Ha!«
»Tja. Ich denke, diese Darstellung der griechischen Außenpolitik ist doch ein wenig subjektiv.«
»Was ist denn heute Griechenland? Ist gar nix. Haben keine gute Auto, Oliven schmecken wie Schafpisse, und schöne Gebäude alles kaputt. Tsatsiki haben sie Rezept geklaut aus Türkei, und Gyros ist Döner mit schlechte Fleisch. Auf Dorf machen nur Inzest oder mit Tieren, und in Athen Autoabgase stinkt und kriegt keiner Luft. 21 Wo ist denn große Demokratie?«
Jetzt ist es Aylin, die sich für ihre Eltern schämt – Gerechtigkeit muss sein. Die Stimmung ist gereizt. Die Zusammenführung der Familien droht zu scheitern. Aylin und ich würden am liebsten spontan in einem Erdloch verschwinden.
Selbst mein Vater hat inzwischen registriert, dass er vielleicht besser nicht stur auf den Errungenschaften der griechischen Demokratie beharren sollte. Was nicht heißt, dass das Thema »Griechische Wurzeln in der deutschen Sprache« für ihn beendet ist.
»Oder Homosexualität. Das kommt vom griechischen ομος, was ›gleich‹ bedeutet.«
»Ha! Ich hab gewusst! Die alten Griechen waren alles schwul. Ich hab gewusst!«
»Nun, äh...«
Von einem Moment auf den anderen ist die Anspannung weg. Herr Denizoglu lacht aus tiefster Seele.
»Haha, Daniel, dein Vater gefällt mir. Er hat die Griechen verstanden. Vallaha, darauf müssen wir anstoßen.«
Mein Vater will widersprechen, aber meine Mutter und ich schaffen es gemeinsam, ihn mimisch zu stoppen. Für die Familienharmonie muss man halt auch mal über seinen Schatten springen. Schließlich akzeptiert mein Vater seufzend Herrn Denizoglus Haltung. Später wird er mir wahrscheinlich erklären, dass man als Ausländer durchaus ausländerfeindlich sein darf, wenn diese Ausländerfeindlichkeit eine kulturell bedingte Tradition ist. Und wenn man wirklich tolerant ist, toleriert man auch die Intoleranz. Zumindest ein Stück weit.
In diesem Moment zeigt mein Vater, dass er mich wirklich liebt. Er kann es nicht einfach sagen, das geht in Deutschland ohnehin schwer, und für Intellektuelle überhaupt nicht. »Ich liebe dich« ist ein viel zu banaler Satz und vor allem nicht empirisch beweisbar. Wenn es ein Gerät gäbe wie einen Pulsmesser, das man sich an die Brust halten könnte und das einen objektiven Liebeswert anzeigen würde, dann hätte mein Vater mit dem Satz sicher kein Problem – er würde sagen: »Daniel, ich liebe dich ... Und zwar mit einem Wert von 9,86.«
Da sind Türken ganz anders. Sie gehen geradezu verschwenderisch mit dem Wort »lieben« um. Gestern erzählte mir Aylin von ihrem türkischen Gemüsehändler:
»Oh, ich liebe ihn – er hat so tolle Artischocken.«
Das führte zu einer kleinen Diskussion.
»Wie kannst du sagen, dass du ihn liebst, nur weil seine Artischocken gut schmecken? Was bedeutet es dann, wenn du zu mir ›Ich liebe dich‹ sagst?«
»Aber das kann man doch gar nicht vergleichen.«
»Natürlich kann man das vergleichen. Du liebst mich. Und du liebst den Gemüsehändler.«
»Quatsch, ich liebe nur dich.«
»Aber du hast gerade gesagt, du liebst den Gemüsehändler.«
»Ja. Aber doch nicht so.«
»Ach. Wie denn dann?«
»Na, ich liebe ihn dafür, dass er so tolle Artischocken hat. Das ist eine andere Art Liebe, das hat nichts mit der Liebe zu tun, die ich für dich empfinde.«
»Dann solltest du auch ein anderes Wort dafür benutzen.«
»Warum seid ihr Deutschen denn immer so auf Worte fixiert?«
»Weil Worte nun mal eine Bedeutung haben.«
»Aber für uns Türken ändert sich die
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