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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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soll. Als Verdammt, ich lieb dich gespielt wird, habe ich die plötzliche Eingebung, dass ich Gaby Haas einfach antanzen sollte. Ich steuere die Tanzfläche an und merke, dass es nicht gut ist, zwei Stunden lang im Schneidersitz in der Ecke zu kauern. Zu spät wird mir klar, dass mein rechtes Bein eingeschlafen ist. Ich gerate ins Taumeln. Immerhin kann Gaby Haas rechtzeitig zur Seite springen, sodass ich gegen ihre hässliche Freundin pralle und diese so zur Seite stoße, dass sie in den Nudelsalaten landet.
     
    17.5.1991: Im Spanisch-Grundkurs werden Zweiergruppen gebildet, in denen man sich auf Spanisch kennenlernen soll. Das Schicksal meint es gut mit mir und beschert mir Gaby Haas als Partnerin. Ich bin so aufgeregt, dass es nach dem Satz »Buenos días, me llamo Daniel Hagenberger« so heftig in meinem Bauch rumort, dass es im ganzen Raum zu hören ist. Gaby Haas schaut mich mit einer Mischung aus Mitleid und Ekel an, und ich verziehe mich schnell aufs Schulklo, wo die Blähungen von Diarrhö abgelöst werden, die praktischerweise bis zum Ende der Stunde anhält.
     
    8.9.1992: Auf der Jahrgangsstufenfahrt nach Berlin habe ich im Aufzug des Ostberliner Fernsehturms zum ersten Mal in meinem Leben Körperkontakt mit Gaby Haas, weil wir im Gewühl aneinandergequetscht werden. Anstatt es einfach still zu genießen, versuche ich, mit den Händen in den Hosentaschen, meinen Penis in eine senkrechte Position zu bringen, damit beim Aussteigen niemand meine Erektion bemerkt. Gaby Haas bekommt mit, wie ich mir heimlich im Intimbereich rumfummele, und verzieht angewidert das Gesicht. Mein gestotterter Erklärungsversuch rundet das Albtraum-Erlebnis ab: »Äh, also, äh äh, nicht dass du jetzt denkst ... Äh, tja ... Hollerähiti!« Besonders das auf Otto-Waalkes-Art geknödelte »Hollerähiti« hat mich noch viele Nächte verfolgt.
    Ein ganzer Schwall unangenehmer Flirt-Erinnerungen kommt mir in den Sinn – gut 95 Prozent sind mit Gaby Haas verknüpft, hinter der ich immerhin fast acht Jahre hergeschmachtet habe. Aber während mich diese Erinnerungen bisher immer gequält und mit Schamgefühlen erfüllt haben, merke ich, dass sie mir plötzlich egal sind – lustige Anekdoten über den alten Daniel Hagenberger, diesen uncoolen Loser, der ich nicht mehr bin. Ich habe eine Verlobte, die aussieht wie ein Topmodel, ich geige meinem Chef die Meinung, und ich flirte wie ein Weltmeister.
     
    Hochzufrieden hole ich mir meinen Morgenkaffee, packe den Power Burger aus und surfe ebenso wie meine Kollegen erst mal im Internet. Das ist das Tolle an einem kreativen Beruf: Man kann sich immer damit rausreden, dass man gerade auf der Suche nach Inspiration ist. In diesem Sinne gehört es tatsächlich zum Aufgabenbereich eines Werbetexters, sich im Kölner Lokalfernsehen Center TV die Wiederholung einer Pressekonferenz mit dem neuen Mittelfeld-Star Petit anzusehen, dessen portugiesische Dolmetscherin das Kölsch der Kölner Lokalreporter nicht versteht, sodass der Pressesprecher des 1. FC Köln zunächst vom Kölschen ins Deutsche übersetzen muss, bevor ins Portugiesische weiterübersetzt wird. Zugegebenermaßen würde ich gerne wissen, wie der Satz »Haben Sie jewusst, dat et eine Biersorte jibt, die denselben Namen hat wie unsere Sprache, nämlich Kölsch?« auf Portugiesisch klingt.
    Karl quarzt wie üblich eine seiner selbst gedrehten Zigaretten, trinkt Kaffee mit möglichst viel Koffein und schaut sich auf YouTube ein wackeliges Handyvideo vom Avantasia-Auftritt beim Heavy-Metal-Festival in Wacken an, eingestellt von »Hell-fucker_78«, der kilometerweit von der Bühne entfernt gestanden haben muss, dessen Grölen die Stimme des Sängers Tobias Sammet übertönt und dessen Freundin die einzigen Momente, in denen er nicht grölt, nämlich die Gitarrensoli, kaputt quasselt, indem sie darüber lamentiert, dass der Typ hinter ihr beim Head-bangen immer sein Bier in ihre Haare spritzt.
    Lysa quarzt ihre roten Gauloises, trinkt eine Dose Red Bull und fügt gerade ihr Gesicht in einen tanzenden Nacktmull ein, der Always look on the bright side of life singt. (Nacktmulle sehen aus wie wandelnde Penisse und sind deswegen die Lieblingstiere vieler Comedy-Fans.) Das Ganze verschickt sie jetzt als Grußkarte an ihren gesamten Freundeskreis.
    Und Ulli schließlich sucht mithilfe von Google, ob seine Rückenschmerzen eventuell Vorboten eines Schlaganfalls sein könnten, findet aber zu seiner Erleichterung das Wort »Rückenschmerz« nicht auf

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