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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Arbeit kommen?
    Der Sergeant versuchte, auch uns nach oben zu schicken. Sologub zog erstaunt die Brauen hoch. Kannte der Sergeant etwa das Pressegesetz nicht? Wusste er nicht, dass man in unserem Land zur Verantwortung gezogen wird, wenn man Vertreter der Massenmedien bei der Ausübung ihrer professionellen Obliegenheiten behindert? Hier ist mein Presseausweis, Sergeant, hier steht schwarz auf weiß, dass der Gouverneur von Sankt Petersburg bittet, dem Besitzer dieses Ausweises jedwede Unterstützung zu gewähren, und darf man einen Blick auf Ihre Dienstnummer werfen, Sergeant? Und überhaupt, wozu sich streiten? Wir stehen einfach nur dabei. Schauen zu. Wir stören nicht, wir sehen nur zu und fahren dann weg. Abgemacht, Kommandant?
    Der Sergeant ging zu einem Mann mit dickem Hintern, der eine braune Lederjacke trug, und sprach lange mit ihm, wobei er mit dem Kinn in unsere Richtung wies. Als er zurückkam, sagte er, es gehe in Ordnung. Der Mann mit dem dicken Hintern rauchte Belomor und ging auf dem Bahnsteig auf und ab. Ich sagte, wir seien umsonst hier geblieben. Wir sollten besser nach draußen gehen und Geld für eine Flasche Bier zusammenkratzen.
    Sologub regte sich auf: »Weißt du, wie viel das Mädchen von der Budjonnowskaja Prawda für die Aufnahmen vom Überfall Bassajews auf die Stadt bekommen hat? Warum haben wir keinen Fotografen dabei? Als die Tschetschenen aus Budjonnowsk abgezogen sind, haben sie sich einverstanden erklärt, schwangere Frauen gegen Beamte und Journalisten auszutauschen. Die Beamten, klare Sache, haben sich in die Hosen geschissen, aber das Mädchen ist gefahren. Bloß so eine kleine Rotznase, die zufällig eine Kamera dabei hatte! Einen Monat später war sie feste Mitarbeiterin bei der Zeitung! Den ganzen Weg über hat sie mit ihrer Seifendose geknipst. Drei Kassetten voll. Die Franzosen haben ihr für den nicht entwickelten – hast du gehört, den nicht entwickelten! – Film so viel bezahlt, dass ... Kurz, das Mädchen konnte sich dafür eine Wohnung in Paris kaufen. Nicht mieten, kaufen, hast du gehört? So eine Chance wie heute gibt es nur einmal im Leben. Gut, für eine Wohnung wird es wohl nicht reichen, aber ein Jahr brauchen wir dann vielleicht nicht mehr zu arbeiten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie mir diese Kandidaten zum Hals raushängen! Warum haben wir keinen Fotografen dabei?«
    Die Rolltreppe hinter uns blieb stehen und begann dann nicht nach oben, sondern nach unten zu rollen. Mehrere Kerlchen in orangefarbenen Jacken kamen auf den Bahnsteig. Auf ihren Rücken war die Abkürzung »PSW« zu lesen. Sologub hielt sich das Diktafon dicht vor den Mund und beschrieb mündlich die Ereignisse. Die Kerlchen sprangen auf die Gleise und verschwanden unter dem Zug. Die dickbäuchigen Metrobonzen beugten sich ab und zu vor und riefen ihnen etwas zu. Bald darauf begann der Zug langsam rückwärts in den Tunnel zu rollen.
    »Was gibt denn das? Der wird ja zu Mus zerquetscht ... Ach so! Sie haben die Räder auf der linken Seite abgenommen! Clever!«
    Eine graue Rolle unter den Arm geklemmt, lief der Sergeant von eben vorbei. Die Rolle entpuppte sich als eine Stoffbahre. Der Milizionär entrollte sie, schüttelte sie ein paarmal auf, warf sie den orangefarbenen Rettern zu und sprang dann selbst auf die Gleise.
    »Aha. Jetzt scheinen sie ihn herauszutragen. Gehen wir!« Sechs Leute trugen die Bahre. Die fünf Kerlchen und der Sergeant. Der Arzt legte den Kopf auf die Schulter und ging nebenher. Die Rolltreppe war wieder eingeschaltet worden. Sologub schloss sich der Gruppe an. Von der Stelle aus, wo ich stand, konnte ich den aufgerissenen Brustkorb sehen, einen Beinstumpf und das Gesicht. Ein Auge fehlte. Das zweite, grüne, war halb geöffnet. Das schmutzige Gesicht sah ein wenig traurig aus.
    »Warum hat er nichts an?«
    »Der fahrende Zug reißt die Kleider weg wie mit einem Messer. Sie haben ja die Rückenverletzungen gesehen. Umso mehr, als der Zugführer noch versucht hat zu bremsen. Unter den Rädern war es wie zwischen zwei Mühlsteinen.«
    Durch den Stoff der Bahre sickerte Blut auf die Stufen der Rolltreppe. Bis wir oben ankamen, war ziemlich viel geflossen. »Nein. Der überlebt ganz bestimmt nicht.«
    »Aber vorläufig lebt er noch?«
    »Ja, natürlich. Wenn Sie wollen, kann ich ihm in die Pupille leuchten, dann sehen Sie die Reaktion.«
    Die Bahre zu tragen war schwer und unbequem für die Retter. Der, der mir am nächsten stand, verzog das Gesicht und versuchte schon

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