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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu. Der Umstand, dass Laternen in diesen Straßen eine Seltenheit sind, kommt denjenigen Liebesdienerinnen zugute, die beleibt, picklig und mit fettigem Haar geschlagen sind. Einen Käufer zu finden, glückt ihnen nicht jede Nacht. Die Mädchen stehen am Straßenrand, schwatzen mit den Verkäuferinnen in den Buden, reden über die Kurse, die sie am Vortag besucht haben, und über den Rock, den Swetka sich genäht hat.
    Das Bildungsniveau ist definitiv gesunken. Blok liest heute keine mehr. Gehen Sie zu den Mädchen, und sie nennen Ihnen wie Gemüseverkäuferinnen ohne Umschweife den Preis. Glauben Sie mir, es ist nichts Interessantes an dem Sex, den Sie zu diesem Preis erwerben. Die Damen haben Komplexe, sind hysterisch, bewegen sich fast gar nicht und bezeichnen das, was sie tun, mit dem blöden Wort »Arbeit«. Den Slip ziehen sie mit den gleichen hektischen Bewegungen hoch wie jene fleischige Zehntklässlerin, die mich vor langer Zeit meiner Unschuld beraubte. Niemals tauchte bei mir der Wunsch auf, sie auf Heller und Pfennig zu bezahlen.
    * * *
    Als wir auf die Straße traten, regnete es immer noch. Über die schmutzigen Reklameschilder floss trübes Wasser. Felix schüttelte den Kopf und fragte, wie spät es sei. Vermutlich wollte er gleich zur Arbeit. Nach Hause zu fahren hatte keinen Sinn. »Lass gut sein. Schlaf dich lieber aus.«
    Felix drehte sich schweigend um und trottete um die Ecke. Die Straße sah aus wie eine Schwarzweißfotografie. Sologub wühlte lange in seinen Taschen. Für ein Taxi reichte es nicht mehr. Ich wühlte ebenfalls ein bisschen. Was ich wohl zu finden hoffte? Wir machten uns auf zur Metro. Mein Kopf tat etwas weh. »Gehst du morgen ins Smolny?«
    »Weiß ich noch nicht.«
    »Also ich gehe. Ich muss. Diese Kandidaten – sie kommen mir vorn und hinten raus.«
    Die Frau, die in dem Häuschen neben der Rolltreppe saß, hatte eine rote Uniformmütze und rote Augen. Ich war dermaßen hungrig, dass ich fürchtete, mich gleich zu übergeben. Seltsamerweise gab es schon Leute, die auf der Rolltreppe nach oben fuhren.
    »Eine gute Prostituierte.«
    »Jaaa.«
    »Felix hätte sie nicht so behandeln dürfen. Egal, wie sie war, immerhin ist sie doch ein Mädchen.«
    »Jaaa.«
    In der Metro waren nur wenige Leute. Ein Mann im Mantel, ein paar Mädchen. Eine las aufmerksam ein dickes Buch. Auf dem Umschlag stand »Russisch-Japanisches Wörterbuch«. Einige schliefen, ihre Köpfe wackelten hin und her. Wie immer am Morgen hatte man das Gefühl, eine Katastrophe sei passiert und man hätte sie vergessen.
    Der Zug bewegte sich ruckartig voran, schließlich blieb er ganz stehen. Irgendwo unterhalb des Zwerchfells lag in mir ein verfaulter Pflasterstein. Ich betrachtete mein Spiegelbild in der gegenüberliegenden Scheibe. Als ich näher an die Scheibe herantrat, sah ich, wie gelb das Weiße in meinen Augen war. Das kam von der schlechten Ernährung. Chinesische Fertiggerichte aus Nudeln, Brötchen, Chips, die ewigen Pelmeni, wieder Brötchen. Nahrung pur, Essen für die Armen – wie Trockenfutter für Hunde. Von solchem Fraß haben Hunde schon nach einem halben Jahr Blut im Urin. Dann gehorchen ihnen die Hinterbeine nicht mehr. Nach einem Jahr verbuddelt man das tote Tier in der Erde.
    Es roch nach nassen Kleidern. Von den Schuhen floss Wasser auf den Boden. Die Halbschuhe sahen aus wie zerkochte Pelmeni. Als Kind konnte ich Buchweizengrütze mit Milch nicht ausstehen. Im Kindergarten musste ich schon beim Anblick dieses Zeugs brechen.
    Wir schwiegen. Die Metro bewegte sich nicht. Dann ging plötzlich das Licht aus.
    »Hoppla!«
    »Was ist denn das?«
    »Vielleicht ist was passiert?«
    Ich stand auf und schaute aus dem Fenster am Wagenende. Das Licht war im ganzen Zug ausgegangen, nicht nur bei uns. Eine seltsame Stille herrschte.
    »Was ist das für ein Bockmist?«
    »Merkwürdig.«
    In der Dunkelheit erörterte jemand flüsternd, ob es nicht an der Zeit sei, das Nottelefon zum Zugführer zu benutzen? Mich interessierte ehrlich gesagt mehr, ob man nicht inzwischen mal heimlich eine rauchen konnte.
    »Da kommt jemand.«
    Die Tür am anderen Ende des Waggons wurde geöffnet. Ein Milizionär trat ein.
    »Kommen Sie mit! Wir gehen durch die vorderen Wagen!«
    »Wohin? Was ist passiert?«
    Der Milizionär schritt durch den Waggon, rüttelte im Vorbeigehen die Schlafenden hoch und begann im Schlüsselloch herumzustochern.
    »Sollen wir etwa durch den Tunnel laufen? Das ist ja ein dickes Ding!«
    Wir

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