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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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und Jungs mit Halstüchern fuhren rotlippige Blondinen in Cadillacs spazieren.
    Er wachte gewöhnlich spät auf, rauchte seinen morgendlichen Joint und setzte sich dann zum Spielen. Nach einer halben Stunde rauchte er noch einen. Manchmal schrieb er etwas auf zerknitterte Zettel. In seinem Zimmer standen ein Sofa, zwei Sessel und ein kleiner Tisch mit Zigarettenspuren auf der Politur. Über dem Sofa hingen Poster seiner geliebten Batmobile und Stray Cats. Die Musiker betrachteten Kirills Gäste und überlegten gemeinsam: »Geld oder Leben?«
    Kirill las sehr viel. Einmal lieh er sich von mir Unter Strom – The Electric Kool-Aid Acid Test. Darin geht es um die ersten amerikanischen Hippies. Versorgt mit ein paar Eimern LSD mit Orangensaft, fahren sie in einem alten Autobus kreuz und quer durchs Land, veranstalten Konzerte und Skandale. Das Buch machte Eindruck auf Kirill. Wir saßen in den »Drei Leichen«. Er sagte, wenn wir eine reiche Bierfabrik als Sponsor kriegen könnten – und ein paar Radiostationen – und einen abgemeldeten Autobus kaufen und reparieren würden ... Was ich von dieser Idee hielte?
    Ich sagte, ich hätte noch nie versucht, Sponsoren zu finden. An der Wand schwenkte alle dreißig Sekunden ein Skelett mit langen Zähnen seinen Plastikarm. Es achtete genau darauf, dass ich mein Bier jedes Mal bis zum Grund austrank.
    »Ich hab‘s versucht. Als ich mein Album aufgenommen habe. Aber jetzt müsste man wohl nach Moskau fahren. Hier bei uns macht keiner so viel Geld locker.«
    »Wie viel brauchst du denn?«
    »Ich würde es die ›Große Rockabilly-Bier-Tour‹ nennen. Touren würden wir durch die Provinz. Ein Konzert pro Tag. Wenn man das alles aufnehmen und einen Film daraus machen würde, könnte man einen Teil des Geldes zurückkriegen.«
    »Im Ernst?«
    »Hast du mal LSD probiert?«
    »Nein.«
    »Möchtest du?«
    »Wo soll ich es denn herkriegen?«
    »Mit Bier ist es natürlich nicht so das Wahre. Besser wäre es – so wie in deinem Buch. Mit LSD würde ich eine Wahnsinnstour aufziehen!«
    »Ja?«
    »Von den leichten Drogen habe ich wirklich schon fast alles ausprobiert. PCP, diese Pilze ... Aber meine Venen sind noch jungfräulich.«
    * * *
    Einen Sponsor fand Kirill aber doch nicht. Die Geldsäcke hatten keinen Bock auf solchen Unfug. Letztendlich spuckte er drauf und beschloss, einfach Gastspiele in der Provinz zu geben. Dann werde man schon sehen. Ein Typ, den alle nur Zahn nannten, vereinbarte, dass der teuerste Club der Stadt Susdal Reisekosten und Unterkunft für die Gruppe bezahlen sollte. Ich wunderte mich: Gibt es in Susdal tatsächlich Musik-Clubs? Zahn war jung, hatte aber trotzdem schon fünf oder sechs Jahre im Gefängnis gesessen. Irgendwas mit schmutzigem Geld. Er hatte einen kindlichen Schmollmund und vorquellende Augen. Beim Gehen scharrte er mit seinen plumpen Füßen. Zahn versuchte, Music-Business zu machen. Kirills Gastspiele bereitete er sorgfältig vor. Der lokale UKW-Sender berichtete jede halbe Stunde vom Besuch der Petersburger Berühmtheiten. Die Susdaler wussten wohl kaum, was für eine Art Konzert sie erwartete. Aber die Karten waren schnell verkauft.
    Am Tag seines Auftritts war Kirill nervös. Es ist eine Sache, für Petersburger Mädchen zu spielen, die schon im Voraus einen Orgasmus kriegen. Eine andere war es hier. Besser wäre es natürlich, gleich in New York zu singen, aber mit irgendwas muss man ja anfangen, oder? Er kontrollierte persönlich die gesamte Technik. Brüllte den adamsapfeligen Kontrabassisten an. Schnupfte mit Zahn zusammen ein ganzes Gramm mitgebrachtes Kokain ... Als das Konzert zu Ende war, kam er auf die Vortreppe des Clubs rausgelaufen: »Dieses Kaff haben wir gründlich aufgemischt!«
    Die Gruppe hatte so gespielt, dass die Zuhörer sich auf der Stelle Kirills Namen auf die Stirn tätowiert hätten, wenn man sie dazu aufgefordert hätte. Irgendwer nahm Kirill in seinem Auto mit zu einem Mädchen. Er trank mit ihr und dem Fahrer aus einer Flasche. Das Mädchen hatte komische schiefe Zähne. Zu Hause legte sie den Finger an die Lippen: »Pssst! Meine Eltern!« Sie war ganz erpicht darauf, dem berühmten Musiker zu gefallen. In der Dunkelheit leuchteten ihre Hinterbacken weiß wie die runden Phalli auf den Bildern von Dali. Danach rauchte Kirill und lauschte, wie draußen die frierenden Hunde heulten. Vielleicht waren es sogar die Wölfe aus den verwunschenen Wäldern Susdals.
    Spät in der Nacht kehrte er zum Club zurück. Die Türen

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