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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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waren schon abgesperrt. Er machte Zahn ausfindig, und der führte ihn durch den Hintereingang. Der Barkeeper lehnte es ab, ihnen kostenlos Alkohol zu geben. Der bärenstarke Zahn schlug den Barkeeper ins Gesicht und fegte alle Flaschen von der Theke, an die er herankommen konnte. Kirill brach in Gelächter aus. Vor seinen Augen verschwammen die Holzwände und die Spiegel.
    Sie gingen auf die Straße hinaus. Auf den Straßen der eroberten Stadt Susdal brannte nicht eine einzige Laterne. Nur die großen Wintersterne. Nicht weit weg, hinter einer Schneewehe, wurde jemand verprügelt. Das Opfer brüllte und schrie um Hilfe. Sie nahmen einen großen Schluck, jeder aus seiner Flasche. Kirill hatte Wodka bekommen.
    Merkwürdigerweise wurde er auf der Straße erkannt. Die Mädchen lachten und wollten ihn unbedingt küssen. Er lachte auch. Jemand schob Kirill einen Knallfrosch in die Hand. Er steckte den Zünder an, holte weit aus, um den Knaller in den im Sturm genommenen Himmel von Susdal zu schleudern, und da explodierte der Knallfrosch in seinen Händen. Die Verbrennungen waren so stark, dass der Notarzt beeindruckt schnalzte und den Fahrer anwies, das Blaulicht einzuschalten. Bis zum Morgen nähten die Ärzte zischend und halblaut fluchend Kirills Hände wieder zu. In den Schalen klirrten die Metallinstrumente. Auf die Hose tropfte Blut. Er kniff die Augen zusammen und wandte den Kopf ab.
    Das Krankenhaus von Susdal ist alt. Außen gelber Putz, innen Fliesen mit abgeschabten Aufschriften. Mehrere Tage schlief er sich aus und stand fast gar nicht auf. Der Kater setzte ihm z u. Morgens musste er zum Verbinden gehen. An den Abenden saß Kirill neben dem Fernseher und versuchte, sich mit den anderen Patienten zu unterhalten. Trotzdem war es langweilig. Einmal kam Zahn ins Krankenhaus. Er brachte Zigaretten und ein paar Flaschen des hiesigen Biers.
    »Hör mal, sollen wir vielleicht mal zur Lawra fahren?«
    »Wohin?«
    »Zur Troize-Sergijew-Lawra. Das ist nicht weit von hier. Mit dem Bus.«
    »Und was gibt‘s da?«
    »Ein Kloster. Ein großes, altes.«
    »Das meine ich nicht. Was sollen wir da machen?«
    »Was macht man in Klöstern?«
    »Keine Ahnung, was man in Klöstern macht.«
    Der große russische Bursche Zahn verzog das Gesicht.
    »Spiel dich nicht so auf. Fahren wir hin, da kannst du dich auslüften. Du hast ja doch nichts zu tun.«
    Die Hände unter dem Verband juckten derart, dass er hätte heulen mögen. Die siechen Susdaler wandten sich zur Wand und schnauften.
    »Na schön, fahren wir zu dieser Lawra.«
    * * *
    Als ich von Kirills Händen hörte, beschloss ich, ihn zu besuchen. Auf dem Sofa in seinem Zimmer war ein ordentliches Bett gemacht. Es roch nach Sauberkeit und etwas Blumigem. Im CD-Player liefen gregorianische Gesänge. Nicht so eine Pop-Mixtur à la Enigma, sondern echte Choräle.
    »Grüß dich, Krüppel! Wie war die Reise? Nur gut, dass dir keiner eine Kampfgranate in die Hand geschoben hat.«
    Kirill schwenkte seine bandagierten Greifer. Ich stellte Bier auf den Tisch. Als es aus der Flasche floss, gluckerte es freudig. »Auf die Gastspiele! Wohin geht es jetzt? Nach London? Trink Bier.«
    Kirill lächelte.
    »Kannst du die Flasche nicht halten? Komm, ich helfe dir. Genier dich nicht.«
    »Ja, verstehst du ... Ich trinke nicht mehr.«
    »Ist was passiert?«
    »Hm ...«
    »Was ist los mit dir?«
    Kirill lächelte immer noch. Er begann davon zu sprechen, wie er zur Lawra gefahren war. Inzwischen wurde das Bier warm und erinnerte im Geschmack an in Kefir eingeweichtes Brot.
    »Sag aber ja nicht, ich wäre verrückt, okay? Ich hab so was früher selber für schizophren gehalten. Aber es ist ganz anders, verstehst du? Dort, in dieser Lawra, ist überhaupt alles anders. Ich gehe zu dem Priester – so ein ganz alter, grauer Bart, und auf dem Pullover ein Totenschädel mit Knochen eingestickt, direkt hier, auf der Brust. Er sieht mich an und fragt: ›Was ist mit deinen Händen?‹ Ich erzähle es ihm, und der Priester sagt: ›Du wirst es schwer haben, mein Sohn – nach dem Tod.‹ Verstehst du? Nach dem Tod! Er blickt mich an, und ich sehe, dass er alles weiß! Vom Koks genauso wie von diesen Susdaler Schnallen. Hast du gewusst, was für ein Tag das war, an dem wir aufgetreten sind? Heiligabend. An diesem Tag muss man fasten. Das heißt – kurz gesagt, eine Sünde war das. Und Zahn hat diesem verdammten Barkeeper die Nase gebrochen – und ich – na, du verstehst ... Ich gehe von dem Priester weg und

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