Machos weinen nicht
die Schlüsselbeine. Im Mund macht sich ein bitterer Beigeschmack bemerkbar. Bier verlangt sogar nach noch mehr Knabbereien als Wodka.
Nach zwei Stunden ging er zurück in den Club. Scooter war noch nicht aufgetaucht. Spät am Abend kehrte er ein drittes Mal in die »Hollywooder Nächte« zurück. In den Toiletten der »Nächte« stehen Automaten, aus denen man Präservative ziehen kann. Das zum Verkauf stehende Produkt wird in den gewundenen Instruktionen unerfindlicherweise »Gandon« genannt. Die Gruppe war noch immer nicht da. Die Organisatorin entschuldigte sich und verteilte an die Journalisten Einladungen zum Konzert. Bemüht, deutlich zu sprechen, fragte er, was mit Scooter tatsächlich los sei. »Die saufen, die Blödmänner«, sagte die Organisatorin. Auf die Galerie kehrten danach nur noch ein paar kleine Journalistinnen zurück (eine, wie üblich, voller Pickel), ein junger Fotograf aus der Ukraine und ein Mädchen, das alle »Paparazzi« nannten.
Sie trug eine abgeschabte Lederjacke und hohe Armeeschuhe. Bis drei Uhr nachts rannte sie mit ihren auswechselbaren Objektiven herum, trank Bier mit jedem, der sie einlud, und rauchte zwei Schachteln Zigaretten am Tag. Sie hatte drei Kinder, alles Jungen, plus zwei Hunde und, wenn ich mich nicht irre, drei Kater. Diese ganze Gesellschaft sorgte für sich selbst. Der älteste Junge für den mittleren, der mittlere für den kleinen. Wovon sich die Katzen und Hunde ernährten, weiß ich nicht. Vielleicht halfen sie sich auch gegenseitig.
Paparazzi fragte, ob denn überhaupt irgendwer Scooter sehen wolle, oder was? Unten auf der Sadowaja schepperten die Straßenbahnen. Der Ukrainer schlief, das Gesicht auf den schmutzigen Tisch gelegt. Dem jungen Mann kamen Zweifel, ob es sich lohnte, ihn zu wecken, aber Paparazzi sagte, dass er noch arbeiten müsse, also solle er besser aufstehen. Das Unangenehme daran, wenn man Alkohol am Morgen trinkt, ist, dass die Party aufhören kann, bevor sie richtig begonnen hat. Sie tranken jeder ein Glas, fühlten sich überlegen und stark, lärmten ein bisschen herum, aber dann zählten sie ihr Geld, erinnerten sich an ihre Geschäfte und gingen auseinander. Allein zurückzubleiben, nachdem man Alkohol getrunken hat, ist scheußlich. Was sollte er tun? Fernsehen gucken, obwohl die Bilder vor seinen Augen verschwammen? Rätselraten, ob sie anrufen würde oder nicht?
Vor der Gruppe Scooter mussten die Fotografen noch ins »Poligon«, Bilder vom Konzert der Rock-Diva Nastja Polewaja schießen. Der Ukrainer kletterte auf die Bühne und hielt seine Nikon sogar in die richtige Richtung. Vermutlich orientierte er sich an der Stimme. Der Bursche hatte ein Auge auf Paparazzi geworfen und wich ihr nicht von der Seite. Als Paparazzi sagte, es wäre nicht schlecht, noch was zu trinken, zog er sofort Geldscheine aus seiner Tasche und gab sie dem jungen Mann. Allerdings warnte er ihn davor, alles auszugeben: Bis zum nächsten Honorar könne es noch dauern. Er hatte Vorderzähne aus Metall, mephistophelisch nach vorn gekrümmte Ohrläppchen und ein Auge, das stark schielte. Was er damit wohl durch ein Okular sehen mochte?
Der junge Mann ging hinter die Bühne und machte sich dort mit dem Freund von Nastja Polewaja bekannt, vielleicht war es auch nicht ihr Freund, und der Typ stand dort einfach nur so herum. Der Freund sagte, er habe Durst auf Bier, aber kein Geld, und bot ihm an, einen Witz zu erzählen: »Wenn du ihn kennst, verdrücke ich mich, wenn nicht, gibst du mir einen Schluck aus deiner Flasche.« Der junge Mann sagte, den könne er auch so haben. Erfreut sagte der Freund, er habe tolles Haschisch dabei. Der junge Mann fragte, ob er anstelle von Haschisch nicht ein tolles Mädchen habe, zu dem man fahren könne. Als der Ukrainer ihn fragte, wie viel Wechselgeld übrig sei, senkte der junge Mann die betrunkenen Augen. Zu Scooter fuhren sie nur zu zweit, er und Paparazzi.
Das Konzert hatte sich schon um zwei Stunden verzögert. Die Milizionäre in ihren Panzerwesten standen kurz vor einem hysterischen Anfall. Nicht mehr lange, und es würde ein Hauen und Stechen geben. Aber Paparazzi wusste, wie man solche Probleme löste. Die Menge drängte sie mit ihrer spitzen Schulter auseinander: »Presse! Wir sind von der Presse ... Lassen Sie die Presse durch ...«, und den Milizionären lächelte sie zu. Man versuchte, sie zurückzuhalten, aber sie leckte sich mit der Zunge über die Nasenspitze, fasste mit langen Fingern fest ihr Teleobjektiv, sah
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