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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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dem Milizoffizier in die Augen und schob es zärtlich vor und zurück. Unter freudianischen Erstickungsanfällen ließ der junge Offizier sie hinein.
    Sie setzten sich in die Kantine für die Angestellten. Am Tisch gegenüber saß ein grauhaariger siebzigjähriger Typ in Lederjeans. Wie die Idee auftauchte, nach dem Konzert solle Paparazzi mit zu dem jungen Mann fahren, begriff er weder damals noch am nächsten Morgen. Nach vierzig Minuten hörte er das Gebrüll der Menge und den Aufschrei: »Fire-e-e-e-eee!!!« Die Flaschen vom Tisch fegend, sprang Paparazzi auf, zog im Laufen die Kamera aus der Hülle und rannte durch den trüb beleuchteten Korridor in Richtung Saal.
    Vorher hatte auch er versucht, in den Saal zu gelangen. Er war nur bis zur ersten Kette der Milizkontrolle gekommen. Dort stand ein fetter Wachposten mit Augen von der Farbe verdorbenen Fleisches und großen Tränensäcken. Personen, die gekleidet waren wie der junge Mann, mochte der Wachposten nicht. Halbschuhe mit dicker Sohle, T-Shirt mit einer grässlichen Fratze, Jacke mit spitznasiger Kapuze ... »Wenn du Wichser hier noch mal auftauchst, kannst du was erleben, kapiert?« Deshalb bemühte der junge Mann sich jetzt, nicht hinter Paparazzi zurückzubleiben. Den Weg mit dem Rücken versperrend, kletterte sie die Eisentreppe hoch und sprang flink hinunter – auf die Bühne. Die Bühne war lichtüberflutet, und davor tobte wie ein vielköpfiges Tier der überfüllte Saal.
    Betrunken, hilflos, blieb er schwankend auf der Treppe stehen. Neben ihm froren die Bodyguards in ihren Anzügen und der deutsche Tontechniker. Unter seiner Hand spürte er das rostige Geländer und umklammerte es für alle Fälle etwas fester. Den Disco-Stars vor die Füße zu fallen hätte gerade noch gefehlt. Vor seinem Gesicht schaukelte der in braun-grüne Hosen gezwängte Hintern des Scooter- Keyboarders. Aus dieser Perspektive wirkte das Konzert ganz originell. In den Pausen zwischen den Liedern machte der Keyboarder einen Schritt ins Dunkle und übergab sich direkt in die Kulissen. Er krümmte sich und schnappte nach Luft, weiß der Teufel, was da alles aus seinem nassen Mund sprudelte.
    Als der junge Mann sich aus dem Sportpalast herausgedrängt hatte, schnappte er sich ein Taxi, kaufte Alkohol und fuhr dann mit Paparazzi zusammen zu sich nach Hause. Können Sie sich denken, wo er das Geld herhatte? Zum ersten Mal seit zwei Tagen aß er etwas und zog Paparazzi noch in der Küche die Jeans aus. Auf dem Tisch wurde der Teller mit ihren chinesischen Nudeln kalt. Wenn SEIN Mädchen nicht erschiene, dachte er, wenn nach gestern zwischen ihnen alles aus wäre, dann würde er eben mit Paparazzi schlafen. Sie hat eine interessante Arbeit und drei Kinder. Sie liebt Kinder und ich auch, wir könnten ein ganz akzeptables Paar sein, warum nicht?
    Nach der Küche zogen sie in sein unaufgeräumtes Wohnzimmer um. Als Radio-Maximum You‘re Unbelievable brachte, passte sie sich der Musik an und wechselte den Rhythmus – die blöde Kuh. Das Radio brüllte die ganze Nacht und weckte ihn noch vor Mittag. Paparazzi roch entsetzlich. Diese Nacht war nicht die Spur so wie die – wie die, die früher waren. Übrigens wurde bald wieder alles gut. Selbstverständlich versöhnten sie sich und waren wieder zusammen, alles ging weiter.
    Zweiter Toast,
gewöhnlich ausgebracht vom Hausherrn
    Die Alten erzählen, dass auf der Welt einmal ein Dschigit lebte, der seine Braut so liebte, wie niemand vor ihm eine Braut geliebt hatte. Aber die Eltern der Braut waren gegen die Heirat, und der heißblütige Dschigit entführte seine Braut, setzte sie auf sein schnelles Pferd und floh mit ihr in die Berge. So erzählen die Alten ...
    Und der Schnurrbart des Dschigit war schwarz wie das Schwarze Meer, und sein Säbel war spitz wie Nachbars Lumpi. Die Braut des Dschigit aber war schön wie eine junge Weinrebe und schreckhaft wie eine Hirschkuh. Das Pferd des Dschigit aber war einfach ein Pferd. Und sie galoppierten einen Tag und eine Nacht und noch einen Tag und eine Nacht, und dann bekamen sie großen Hunger. Und der Dschigit sah, dass auf dem Gipfel des höchsten Berges ein Bergziegenbock stand, riss, ohne das Pferd anzuhalten, im Galopp das Gewehr von der Schulter und schoss auf den Bergziegenbock, verfehlte ihn aber.
    »Wach, was für ein Bock!«, sagte der Dschigit Er hielt sein flinkes Pferd an, streckte den Arm mit dem Gewehr aus und schoss noch einmal auf den Bock, aber die Kugel flog wieder vorbei. Da

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