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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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Bestätigung seiner Einschätzung kam. Für seine Verdienste um den Weltfrieden ist Stanislaw Petrow vielfach ausgezeichnet worden. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Laudatoren immer gewußt haben, daß sie weniger eine mutige
Handlung
ausgezeichnet haben – als vielmehr noch mutigeres
Nichthandeln
.
    Schuld an dem Fehlalarm war übrigens ein seltenes optisches Phänomen: Sonnenstrahlen, die in der Atmosphäre reflektierten, erzeugten ein Trugbild, das von den Spionagesatelliten wie die Spur startender Raketen dargestellt wurde.

Auch wenn wir schweigen, teilen wir den anderen etwas mit. So wie wir etwas tun, wenn wir nichts tun. Damit müssen wir leben. Bisweilen klappt das recht gut.
    So dramatisch diese Ereignisse auch gewesen sein mögen und wie bewundernswert der Mut von Oberstleutnant Stanislaw Petrow – die Momente seines Nichthandelns lassen sich nicht nur sehr klar beschreiben, sondern auch ihre Wechselbeziehung mit den darauf folgenden Ereignissen oder, besser,
Nicht-
Ereignissen.
    Ganz anders hingegen ist das Nichtstun einer der großen deutschen Handelsketten zu bewerten. Das Management des Lebensmittel-Discounters Aldi verzichtet nämlich seit Jahrzehnten darauf, sich über die eigenen Angelegenheiten zu äußern; weil sich das Unternehmen in Privatbesitz befindet, ist das problemlos machbar. «Das Thema Kommunikation war für Aldi nie ein Thema. Es war immer klar: Wir sagen nichts. Wenn Anfragen kamen, wurden sie höflich per Brief abgebügelt.» Das sagte Dieter Brandes dem Wirtschaftsmagazin
brand eins.
[186] Er muß es wissen, war er doch in den 1980 er Jahren ein wichtiger Manager bei Aldi Nord. Dort arbeitete er mit Theo Albrecht zusammen, einem der beiden Albrecht-Brüder, die den Konzern zwar unter sich aufgeteilt hatten, in ihrem kommunikativen Nichthandeln aber ein Herz und eine Seele waren. Die Erfahrungen von Dieter Brandes liegen freilich schon viele Jahre zurück, sind daher mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Wer weiß, was sich mittlerweile geändert hat? Weil Aldi nichts sagt, ist diese veraltete Aussage, daß Aldi nichts sagt, die einzig greifbare.
    Doch halt, etwas Neues gab es vor nicht allzu langer Zeit zu hören. So hat im Sommer 2010 Karl Albrecht jr. angekündigt, eine Biographie seines Vaters Karl schreiben zu wollen; seit damals haben wir freilich nichts mehr davon gehört. Aldi schweigt eisern weiter. Eine Strategie, die um so interessanter ist, als das Unternehmen mit seinen insgesamt 4   400 Filialen und 200   000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund 50  Milliarden Euro erwirtschaftet und seit Jahren das zweitgrößte deutsche Familienunternehmen ist.
    Wenn Aldi nichts sagt, heißt das natürlich nicht, daß Aldi nichts sagt. Denn: «Man kann nicht
nicht
kommunizieren», wie Paul Watzlawick in einem tausendfach zitierten Satz postuliert hat. [187] «Handeln oder Nichthandeln, Worte oder Schweigen haben alle Mitteilungscharakter: Sie beeinflussen andere, und diese anderen können ihrerseits nicht
nicht
auf diese Kommunikationen reagieren und kommunizieren damit selbst. Es muß betont werden, daß Nichtbeachtung oder Schweigen seitens des anderen dem eben Gesagten nicht widerspricht.» So teile zum Beispiel ein Mann, der in einem überfüllten Wartezimmer mit geschlossenen Augen dasitze, den anderen mit, daß er nicht angesprochen werden wolle; ein Signal, das die anderen in der Regel verstünden. Sie ließen ihn in Ruhe. «Dies ist nicht weniger ein Kommunikationsaustausch als ein angeregtes Gespräch.»
    Was also sagt uns Aldi, indem es nichts sagt? Der Autor des erwähnten Artikels glaubt, daß die Botschaft des Hauses «aus jedem der barackenähnlichen, mit Neonfunzeln erhellten Aldi-Märkte» spreche. «Sie steckt in der lieblosen Produktpräsentation, die im Wesentlichen darin besteht, aufgeschlitzte Pappkartons in die Regale zu pfeffern. Sie ist ironischerweise auch am konsequenten Verzicht auf Image-Werbung oder Pressearbeit abzulesen. Sie lautet: Wir kümmern uns um gute Qualität zum niedrigstmöglichen Preis. Und sonst um gar nichts.» So zutreffend diese Beschreibung auch sein mag – sie greift meines Erachtens ein wenig zu kurz. Wer schweigt, der läßt nicht nur seine Filialen sprechen, sondern verteilt die Kommunikation auf
alle
Mitspieler des Systems Aldi. Und dazu gehören eine ganze Menge mehr als die 4   400 Filialen: die Medien, die Kunden, die Mitarbeiter, die Aldi-Lkws, die Prospekte, die Gerüchte im Internet. Indem es nichts tut,

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