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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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unerwünschten Nebeneffekt: Nun erfahren auch jene Leser von der Sache, die sie bisher nicht mitbekommen haben. Doch es kommt noch schlimmer. Die Antworten auf die Verleumdungen müssen nämlich laut Gesetz in Form einfacher Negationen abgefaßt werden, sind also nach allem, was wir bisher erfahren haben, kaum dazu geeignet, die Unterstellungen aus der Welt zu schaffen. Vielmehr eignen sie sich bestens dazu, sich noch tiefer ins Gedächtnis all jener zu graben, die sie lesen – und zwar als Tatsachen, wie wir weiter unten noch sehen werden.
    Wie solche Gegendarstellungen aussehen, können wir uns in den Zeitungsarchiven ansehen. Am Beispiel von Stefan Raab etwa. Dessen Anwalt erwirkte eine Entgegnung auf einen Artikel, der den Titel «Will der nur spielen?» trug. [213] Unter Punkt 3 können wir lesen: «Weiter heißt es: ‹Zur Gewinnmaximierung nimmt Raab mit schöner Regelmäßigkeit Schleichwerbung ins Programm. Und sein Sender zahlt in noch schönerer Regelmäßigkeit Strafen dafür.›» Raabs Antwort: «Hierzu stelle ich fest, daß ich keine Schleichwerbung ins Programm nehme und mein Sender keine Strafen dafür bezahlt.» So geht das zwanzig Punkte lang. Darunter befinden sich gröbere wie harmlosere Entgegnungen und solche, die man unter der Rubrik «Satire» verbuchen muß. Dazu gehört Punkt 6 : «Weiter heißt es: ‹Der Metzgerssohn, der heute noch das Mettbrötchen mit Zwiebeln, Gurkenscheibe dazu, ganz hinten in seiner Stammkneipe schätzt (…).› Hierzu stelle ich fest, daß ich nie Mettbrötchen mit Gurkenscheiben dazu esse und auch keine Stammkneipe habe.» Auf diese Weise werden wir bis heute daran erinnert, was der Journalist geschrieben hat und was Stefan Raab daran für falsch hält. Noch schlimmer wird die Sache durch den Umstand, daß die meisten Redaktionen dem Entgegnungstext einen sogenannten Redaktionsschwanz anfügen, in dem sie noch ein wenig in der schmerzlichen Angelegenheit herumstochern. Und die Entgegnung kommentieren.
    Nur gut für Stefan Raab, daß die meisten der von ihm beanstandeten Behauptungen harmlos bzw. absurd anmuten (inklusive der Repliken). Nicht auszudenken, hätte der Musiker und Moderator versuchen müssen, mit einfachen Negationen die Unterstellung aus der Welt zu schaffen, jemanden vergewaltigt zu haben. Ein anderer deutscher Fernsehmoderator hatte das gerichtlich versucht und war damit gescheitert: Obwohl er von dem Vorwurf freigesprochen wurde, konnte er nicht mehr in seinen Job zurückkehren. Zu belastend erschien den TV -Verantwortlichen der Schatten der (falschen) Beschuldigungen, das Mittel der Negation als viel zu schwach, um sie wieder zum Verschwinden zu bringen. Und die verständnisvollen Artikel, die später über ihn erschienen, haben die Sache auch nicht zum Besseren wenden können, sondern sie noch mehr verschlechtert: Denn mit jeder Erwähnung seines Namens und der Feststellung, er sei
kein
Vergewaltiger, wurde das bittere Thema von neuem ins Bewußtsein der Leser gehoben. Und in manchem Kopf zur unumstößlichen Tatsache, ganz ohne Negation.
    Doch nicht nur Entgegnungen haben die unangenehme Eigenschaft, das Gegenteil dessen zu bewirken, was wir mit ihrer Hilfe erreichen wollen. Auch negative Anweisungen führen oft zu ähnlich paradoxen Ergebnissen. Ein Hinweis, der vor allem für Eltern hilfreich sein könnte, wie die folgende kleine Geschichte zeigt, in der ich eine gewisse Rolle spiele. Sie ereignete sich im Jahr 1961 , als ich knapp zwei Jahre alt war. Damals wohnten meine Eltern zur Untermiete im ersten Stock eines kleinen Hauses in Graz. Es gehörte der Witwe eines gewissen Dr. Schmuck. Die alte Dame hatte also mit «Frau Dr. Schmuck» angesprochen zu werden, und als solche ist sie auch in die Familienmythologie eingegangen. Als besagte Frau Dr. Schmuck eines Tages nach Hause kam, sah sie zu mir, dem knapp Zweijährigen, hoch, wie ich am Arm meiner Mutter aus dem Fenster auf sie hinuntersah. In der Angst, ich könnte auf dumme Gedanken kommen, rief sie mir von unten entgegen: «Nicht, daß du auf mich herunterspuckst!» Mit dem Ergebnis, daß ich – der ich noch nie irgendwo auf irgend jemanden hinuntergespuckt hatte – auf sie hinunterspuckte.
    Diese Anekdote illustriert, wie Erwachsene Ideen in die Welt setzen, unter deren Folgen sie später nicht nur leiden, sondern für die sie auch noch die Falschen verantwortlich machen. Viele Warnungen, Befehle und Wünsche leiden unter exakt diesem Defekt. Wer kennt sie nicht, diese

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