Mach's falsch, und du machst es richtig
hinschreiben, weil es auch dazu Studien gibt, die genau das nachgewiesen haben. Eine davon trägt den wunderbaren Titel «Ist eine Tür, die nicht offen ist, geistig geschlossen?» [218] Durchgeführt wurde sie von drei Psychologen, die ihre Versuchspersonen mit zwei Sätzen konfrontierten, die sich durch nichts anderes voneinander unterschieden als durch ein kleines «nicht». Auf diese Weise wollten sie herausfinden, ob unser Gehirn bei der Verarbeitung eines affirmativen Satzes («Die Tür ist offen») schneller agiert als bei der Verarbeitung eines negierten («Die Tür ist nicht offen»). Das Ergebnis war eindeutig, denn es habe sich herausgestellt, «dass die Verarbeitung eines negierten Satzes im Vergleich zu einem affirmativen Satz sehr zeitaufwändig ist», schreibt dazu Jana Lüdtke in ihrer Dissertation [219] in bezug auf diese Studie, die mir in diesem Kapitel wertvolle Hinweise geliefert hat. Ken Ramshøj Christensen vom Center of Functionally Integrative Neuroscience im dänischen Aarhus bestätigt diese Ergebnisse, indem er die Gehirne seiner Probanden mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie beobachtete, während er ihnen verschiedene Sätze vorsagte. Das Ergebnis seiner Studie [220] : Affirmative Sätze verstehen wir schneller, negierte langsamer.
Komplexere Prozesse wie Negationen beanspruchen in der Regel nicht nur mehr Zeit, sondern sind auch fehleranfälliger. Zu welchem Resultat das in unserem Fall führen kann, haben die drei Psychologen Gilbert, Tafarodi und Malone untersucht. Bereits im Jahr 1993 veröffentlichten sie eine Studie [221] , die den vielsagenden Titel trägt: «Man kann nicht
nicht
alles glauben, was man liest». Darin zeigten sie, daß wir Menschen für Negationen ziemlich unempfänglich sind, also selbst dann etwas glauben, wenn man uns eindeutig klargemacht hat, es sei
nicht
wahr; daß wir also dazu tendieren, Negationen auf ihren affirmativen Kern zu reduzieren – und das «Nein» zu vergessen. Das geschehe zum Beispiel, wenn wir während der Verarbeitung von Negationen gestört würden. Die Psychologen führten dazu insgesamt drei Experimente durch. Sie ergaben weitreichende Einsichten in die Art und Weise, wie schwer wir uns mit negierten Aussagen tun und wie störanfällig wir bei deren Entschlüsselung sind. Wenn Menschen nämlich daran gehindert würden, «Behauptungen zu hinterfragen, die sie verstanden zu haben glauben, neigen sie dazu, sich so zu verhalten, als ob sie sie glauben. Menschen erinnerten sich nicht nur daran, diese Behauptungen seien wahr, sondern sie hielten sie tatsächlich für korrekt». Das bedeutet: Erzählt man uns beispielsweise davon, ein gewisses Produkt stehe
nicht mehr
im Verdacht, krebserregend zu sein, und werden wir bei der Verarbeitung dieser Negation gestört, dann besteht die Gefahr, daß wir das Produkt für krebserregend halten. Das gelte jedoch nur für Negationen, so Gilbert: «Jegliche Ablenkung während der Lektüre erhöhte die Wahrscheinlichkeit, daß die Probanden eine falsche Behauptung für richtig hielten, aber verringerte hingegen die Wahrscheinlichkeit nicht, daß sie eine richtige Behauptung für falsch hielten.»
Der Wissenschaftsjournalist Jochen Paulus hat in der
Zeit
auf eine Studie aus dem Jahr 1984 hingewiesen [222] , die nicht nur die von Gilbert ganz wunderbar ergänzt, sondern auch bestens in diesen Zusammenhang paßt. Dort untersucht der Psychologe Daniel H. Wegner die negativen Auswirkungen von Unterstellungen, die so klingen: «Die Marke X ist nicht gefährlich.» Eine solche Aussage ist laut Wegner durch eine Doppelbotschaft gekennzeichnet: Sie stelle einerseits eine Behauptung auf («Die Marke X ist gefährlich»), bewerte diese Behauptung aber gleichzeitig als falsch («…
nicht …
»). Eine klare Angelegenheit, sollte man meinen, denn was soll die Marke X anderes sein als «
nicht
gefährlich»? Steht doch da! Tja – weit gefehlt! Nach einer Reihe von Untersuchungen hat sich laut Wegner nämlich immer wieder herausgestellt, «dass die Menschen bemerkenswert unsensibel den Bewertungen der Unterstellungen gegenüber sind». Anstatt das «nicht» angemessen zu berücksichtigen, stützten sie ihr Urteil auf das erste Element des Innuendo, die Behauptung. Von der Unterstellung kam also bloß die Aussage «Die Marke X ist gefährlich» im Bewußtsein der Probanden an, die Verneinung ging verloren. Die meisten Menschen würden Unterstellungen solcherart mißverstehen, so Wegner, weshalb sie
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