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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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der sich umdrehte und fragte: »Meinen Sie uns?«
    »Sehen Sie noch jemand anderes?«
    Diesmal blickte auch Philip zur Seite. Der Durchgang vor den beiden Reisebüros lag leer und verlassen. Nur vier Männer hielten sich dort noch auf. Sie trugen die grünbeigen Uniformen des Bundesgrenzschutzes. Maschinengewehre hingen an Riemen über ihren Schultern.
    Einer der Beamten, offenbar der Ranghöchste, blickte mit erhobenen Augenbrauen zu dem Familienvater, der sich ein paar Meter weiter in Sicherheit gebracht hatte. Er drückte die Tochter an sich und nickte, ohne dabei Philip anzusehen. Ja, genau, das sind sie! Sie haben sich über ein Attentat unterhalten!
    Philip klammerte sich an seine Strickmütze. Langsam floss das Blut wieder durch seine klammen Hände, kehrte das Gefühl zurück – und mit ihm die Einsicht. In einer Zeit, in der das Damoklesschwert des Terrorismus allgegenwärtig über den Köpfen der Menschen schwebte, war es äußerst riskant, sich bei der Suche nach einem gefährlichen Mann, der so unauffällig war wie ein Huhn in einer Legebatterie, auffällig zu verhalten.
    Der Beamte trug ein strenges, Respekt einflößendes Gesicht zur Schau. Ganz im Gegensatz dazu war seine zuvorkommende Stimme hörbar darum bemüht, keinen Aufruhr zu entfachen. »Wir möchten Sie bitten, uns zu begleiten.«
    Das Stimmengemurmel in ihrer Umgebung verebbte allmählich. Immer mehr der umstehenden Flugreisenden wurden aufmerksam.
    »Wieso? Was ist?«, gab sich Philip ahnungslos.
    »Wir möchten uns gerne mit Ihnen unterhalten.«
    »Worüber?«
    Die vier Beamten kamen näher. Die Menschen im Terminal, für die das Geschehen sicherlich eine willkommene Abwechslung zum langweiligen Warten war, hielten dagegen gebührenden Abstand.
    »Bitte kommen Sie mit.«
    »Hören Sie«, sagte Kahlscheuer und hob beschwichtigend die Hände, »wir können Ihnen das erklären.«
    Der Uniformierte sagte, und jetzt klang er nicht mehr so beherrscht wie noch zu Beginn: »Das steht Ihnen frei. Aber nicht hier.«
    Philip straffte seinen Rücken, blickte über die Schultern der Sicherheitsbeamten. Wo, verdammt, blieb Kommissar Berger?
    Ein Blick nach draußen zeigte, dass das Schneetreiben erneut zugenommen hatte. Vermutlich steckte der Polizist im Verkehr fest. Er sagte: »Nein!«
    »Machen Sie keine Dummheiten«, ermahnte ihn Kahlscheuer.
    Die Menschenmenge war Philip ein Graus gewesen. Noch mehr aber fürchtete er sich davor, von den Beamten abgeführt zu werden. Darauf lief es jedoch hinaus. Als wollten die Beamten die ausweglose Situation untermauern, schlossen sie den Halbkreis enger. Philip wich zurück. In seinen Rücken bohrte sich ein Widerstand. Der Weg wurde ihm durch die Seitenwände der Last-Minute-Läden versperrt.
    »Kommen Sie mit!«
    Einer der Beamten packte seinen Arm. Philip ließ die Mütze fallen, wollte sich aus der Umklammerung entwinden. Vergebens. Der Griff war eisern. Heiß wie der Blitz vor Philips Augen. Ein zweiter Beamter schob ihn vorwärts. Eine ganze Flut von Bildern strömte auf ihn ein. Kraftlos sank er zu Boden. Die beiden Männer ließen ihn augenblicklich los.
    Röchelnd hockte Philip in den schmutzigen Pfützen, die ihre Stiefel auf dem Betonfußboden hinterlassen hatten. Sein Atem ging unkontrolliert. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Langsam hob er den Kopf. Gesichter starrten ihn erwartungsvoll an. Ein Meer aus staunenden Augen und entsetzt aufgerissenen Mündern.
    Ein Gesicht stach aus der Menge hervor. Eines, das ihm heute schon einmal begegnet war. Sein Besitzer hatte sich seiner Winterjacke entledigt, er trug ein Hemd und eine Krawatte, die sich farblich bissen: grün und blau. Aber guter Geschmack war für seine Aufgabe auch nicht gefragt. Ungeachtet der dramatischen Ereignisse, die sich ein paar Meter weiter vollzogen, war er in ein Gespräch vertieft. Die Frau neben ihm trug die Uniform einer Stewardess. Sie hatte einen Koffer in der Hand. Er war identisch mit jenem, den er emporhielt.
    Sie tauschen die Koffer!
    Es fiel Philip wie Schuppen von den Augen. So kam die Bombe an Bord.
    »Die da!«, hustete er und wies mit der Hand auf die beiden. »Das… sind… Attentäter!« Die Sicherheitskräfte hielten nur ihn im Visier. Ihre Blicke sprachen Bände: Glaubst du etwa, wir fallen auf so einen dummen Trick herein?
    Sein Aufschrei allerdings hatte die Aufmerksamkeit der beiden Terroristen erweckt. Ihre Köpfe wandten sich in seine Richtung.
    Jetzt oder nie!
    Philip konzentrierte alle Kräfte,

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