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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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über die er noch verfügte, in seinen Beinen. Er federte vom Boden empor, schneller, als er es selbst für möglich gehalten hätte.
    »Stehen bleiben!«, riefen die Beamten hinter ihm. Sie zückten die Waffen, entsicherten sie mit einem mechanischen Klicken. Doch da tauchte Philip bereits in die Menge der Schaulustigen. Diese zuckten zurück, teilten sich wie ein Meer vor ihm. Was ihm einerseits nur recht war. Andererseits boten sie den Sicherheitskräften ein freies Schussfeld. Deshalb schlug er einen Haken. Und noch einen. Sie würden nicht blindlings in die Menge feuern.
    Über die Miene des Attentäters zog ein Hauch des Verstehens. Er wandte sich ab, suchte nun selbst Zuflucht in der Menschentraube. Doch Philip bekam seinen Hemdsaum zu fassen, roch augenblicklich den durchdringenden Geruch von Rosenwasser. Wenn es noch einen Zweifel gegeben hatte, jetzt war er beseitigt. Umso fester krallten sich seine Finger in den Stoff, es knirschte, als er den Flüchtenden an dem Zipfel herumriss. Die Bilder, die augenblicklich vor seinem inneren Auge erschienen, überraschten ihn nicht. Er hatte sie schon einmal gesehen.
    Philip griff nach dem Koffer. Der Mann war wohl zu überrascht, um sich zu wehren, schaute ihn nur verwundert an. Philip versetzte ihm einen Stoß. Der Mann strauchelte und stürzte. Für einen Moment verspürte Philip so etwas wie Genugtuung.
    Sie währte nicht lange. Während er mit dem Koffer in der Hand davoneilte, fragte eine Stimme in seinem Kopf: Wohin? Naheliegend waren die Sicherheitsbeamten. Gib ihnen den Koffer und… Die schweren Stiefel krachten über den Boden, wurden von den hohen Decken der Terminalhalle in einem dutzendfachen Echo zurückgeworfen, als wären nicht vier Beamte, sondern eine ganze Kompanie hinter ihm her.
    »Stehen bleiben!«, schrie einer der Sicherheitsbeamten. »Auf der Stelle!«
    Philip hielt den Koffer hoch. »Das ist…«, rief er. Noch während sein Mund die Worte formte, schalt er sich einen Narren. Etwas Dümmeres hätte er vermutlich nicht in die Stille des Terminals brüllen können! »… eine Bombe!«
    Eine schwangere Frau in einem Pepita-Kostüm, die die Rolltreppe hochfuhr, stieß einen spitzen Schrei aus. Dann brach das Chaos aus. Menschen sprengten in alle Himmelsrichtungen auseinander. Ihre panischen Schreie hallten in der hohen Abfertigungshalle wider. Niemand scherte sich darum, dass ein Einsatzkommando den vermeintlichen Attentäter längst im Visier hatte. Bloß weg hier, war die Devise.
    Unbeabsichtigt gaben sie Philip damit eine Chance zu entkommen. Noch bevor die Flüchtenden die Treppe erreichten, spurtete er selbst die Stufen hinunter.
    »Hinterher!«, bellte jemand einen Befehl.
    Die letzten Stufen bis zum Erdgeschoss nahm Philip mit einem Satz. Er rannte den Ausgängen entgegen. Die Türen glitten auf. Er hastete nach draußen. Blindlings in den schlimmsten Winter, den er je erlebt hatte.
     
     
    Berlin
     
    Als das Bettgestell zusammengebrochen und das Achat auf den Betonboden gefallen war, hatte Cato vor Schreck seinen Kaugummi verschluckt. Er hatte husten, würgen müssen, doch das Kaugummi war bereits auf dem Weg Richtung Magen gewesen. Sein Mund war ihm plötzlich nutzlos vorgekommen. So wie er sich gefühlt hatte, seit er herausgefunden hatte, dass der Inhalt der Schatulle nicht das war, was er sich erhofft hatte.
    Er hatte seine Wut an der jungen Frau ausgelassen, bevor er begonnen hatte, durch die unterirdische Kammer zu laufen. Fieberhaft suchte er dabei in seinen Taschen nach einem Ersatz, doch die Packung war leer. Den letzten Streifen Airwaves hatte er sich über die Lippen geschoben, kurz bevor das Mädchen aus der Betäubung erwacht war. Also brachte er nur ein Taschentuch zum Vorschein und schnäuzte sich die laufende Nase. Er verspürte ein scharfes Kratzen im Hals, außerdem brannten seine Augen. Erst die Hitze in Brasilien, jetzt die Eiseskälte in Deutschland, dazu der wenige Schlaf: Es wunderte ihn nicht, dass sein alter Körper streikte und er sich einen Schnupfen eingefangen hatte.
    Trotzdem konzentrierte er seinen Ärger nur auf den mangelnden Nachschub an Kaugummis. Denn wenn er weiter darüber nachdachte, dass er all die Plackerei auf sich genommen hatte für dieses verfluchte Gebilde, das nun nicht einmal Wirkung zeigte, wurde er nur noch wütender. Und dann konnte er für nichts mehr garantieren.
    »Was haben Sie vor?«
    Die Stimme der jungen Frau schreckte ihn aus seinen Gedanken. Sie hockte inmitten der Überreste,

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