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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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erklärte: »Wollen Sie also damit andeuten, dass die Lage nicht so schlimm ist, wie Sie uns weismachen wollen?«
    Sofort bereute de Gussa seine Worte. Er hätte wissen müssen, dass seine Freunde sie zum Anlass nehmen würden, die Bedeutung der Ereignisse herunterzuspielen. Er hob beschwichtigend die Hand. Er ließ seinen Blick über die versammelten Würdenträger streifen, nur Garnier sparte er aus.
    Zwei Plätze neben dem Präfekten war die Glühbirne in der schlichten Wandlampe ausgefallen. Es war ein makaberer Zufall, dass ausgerechnet davor der leere Stuhl von Jürgen Launitzer stand, dem Erzbischof aus Köln. Die Schmerzen in seiner Hüfte waren unerträglich geworden, hatten ihm einmal sogar das Bewusstsein geraubt. Zur Stunde wurde er in den Operationssaal der Universitätsklinik Köln gerollt.
    »Ich will Ihnen überhaupt nichts weismachen«, sagte de Gussa mit fester Stimme. »Und ich weiß, Ihnen allen ist sehr wohl bewusst, worum es hier geht: um die Familie Hader, diese unheilige Familie, deren…«
    »Wollen Sie uns etwa unterstellen, dass wir vergessen hätten, warum wir hier sind?«, unterbrach ihn Garnier.
    Beinahe hätte der Bischof das bestätigt. Rechtzeitig biss er sich auf die Zunge. Als der Schmerz wieder abklang, fuhr er fort: »Nein, das will ich nicht. Ich weise lediglich auf die Gefahr hin, dass uns die Kontrolle entgleitet. Denn was…«
    »Werter Bischof«, fuhr ihm Garnier abermals ins Wort. Er rieb sich sein Knie. Anders als der Kölner Erzbischof hatte er die Operation seines kaputten Kniegelenks bisher aufschieben können. »Bleiben wir doch bei den Tatsachen.«
    De Gussa beugte sich vor, stützte sich mit den Händen auf den wackeligen Holztisch. »Tatsachen?« Er glaubte sich verhört zu haben. »Was wollen Sie damit andeuten?«
    »Tatsache ist«, sagte Giaccomo Lorenzini, Prälat aus Turin und Nachfahre des italienischen Schriftstellers Carlo Collodi, aus dessen Feder Pinocchio stammte, »dass wir den alten Mann in Gewahrsam hatten. Jahrzehntelang hatten wir alles unter Kontrolle, so wie man es von uns, dem Offizium, erwartet. Nun beginnen sich die Kräfte des Jungen zu entfalten, und wir sind ihm auf der Spur. Wie heißt er noch?«
    »Philip Hader.«
    »Wir sind ihm doch auf der Spur, oder?«
    De Gussa presste die Lippen aufeinander.
    »Und wo der Junge ist…« Lorenzini zuckte die Achseln. »… ist das Achat.«
    Der Bischof bemühte sich noch immer um Fassung. Trotzdem klang es ungeduldig, als er mit seinem kostbaren Amethystring auf den Tisch klopfte. »Und was, wenn es nicht so ist?«
    »Wir haben durchaus zur Kenntnis genommen, dass Sie da anderer Ansicht sind«, meldete sich Monsignore Mundaste zu Wort. »Aber bis heute sind Sie uns den Beweis für die Existenz ihrer geheimnisvollen zweiten Person schuldig geblieben.«
    »Richtig, verehrter Bischof«, rief Garnier, und der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Klären Sie uns arme Unwissende auf!«
    De Gussa streckte den Rücken durch. Es drängte ihn dazu, sich hinzusetzen, doch er durfte sich diese Schwäche nicht anmerken lassen. »Garnier, zügeln Sie endlich Ihre Zunge. Keiner von uns hier im Raum ist unwissend. Wir alle wissen ganz genau, um was es geht. Spielen Sie also nicht mit dem Feuer.«
    »Der Einzige, der hier spielt, sind Sie!«
    »Ich spiele nicht. Das werden Sie schon bald…«
    »Schon bald?«, lächelte Fabricio Lucarno. »Wie lange sollen wir denn noch warten? Seit Tagen vertrösten Sie uns.«
    Stille kehrte ein. Gespannt starrten die Umsitzenden den Bischof an. Jetzt sank er doch auf seinen Stuhl. Seine Finger spielten nervös mit dem violetten Edelstein in seinem Ring. »Sie werden alles erfahren, mehr kann ich im Augenblick nicht sagen.«
    Antonio Capote, der Prälat aus Venedig, lachte auf. »Seien Sie doch ehrlich, Sie haben sich geirrt.«
    »Und wir haben uns die ganze Woche umsonst um die Ohren geschlagen«, fügte Garnier hinzu. Seine Hand massierte sein Kniegelenk, und es war offensichtlich, dass er damit seinen Unmut kundtat darüber, dass er umsonst die Schmerzen hatte ertragen müssen. »Und am Ende wird es wieder so sein wie jedes Mal.«
    »Viel Wirbel um nichts«, pflichtete Capote bei.
    »Wir werden den Jungen finden, mit oder ohne Achat. Wir werden die Bücher entschlüsseln – oder eben auch nicht. Aber was auch passieren wird…« Prälat Lorenzini zuckte abermals die Achseln. »… die Geschichte beginnt von vorne.«
    »Genau«, ließ sich der dunkelhäutige Monsignore

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