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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Vergeblich. Dafür kam ihm ein anderer Gedanke. »Sie glauben, dass ich es habe, oder?« Deshalb hatte seine Großmutter ihn beschützt.
    »Ja.«
    »Aber ich habe es nicht.«
    »Ich weiß.«
    Philip beschlich das Gefühl, dass dies nicht der einzige Grund war, warum man eine mörderische Jagd auf ihn eröffnet hatte. »Aber da ist noch mehr«, mutmaßte er.
    »Ja«, sagte der andere und senkte seinen Blick. Er klang unendlich traurig. Hatte Philip Tränen in seinen Augenwinkeln aufblitzen sehen? Oder waren es nur Schneeflocken gewesen? Es schneite nicht mehr. »Diese Zwischenwelt wird immer größer. Größer, als der menschliche Verstand es sich überhaupt ausmalen kann.«
    »Und?«
    »Irgendwann werden die Grenzen verschwimmen. Auch davon steht in Cuthberts Büchern geschrieben.«
    Er machte eine Pause. Philip rief sich Ritz’ Worte ins Gedächtnis. Etwas Dunkles naht. Er dachte auch an seine eigenen mächtigen Visionen, an die Träume von einem finsteren Irgendwo, in dem die Welt einem Trümmerhaufen glich. Da war etwas an diesen Träumen, was ihn stutzig machte. Aber es wollte ihm nicht einfallen. Deshalb fragte er: »Was wird dann passieren?«
    Der andere zuckte die Achseln. »Ich hatte nie die Gelegenheit, die Bücher zu lesen.«
    »Aber du weißt, was geschehen wird?«
    »Das Ende. Schluss. Aus. Finito. Das Inferno. Sogar das Datum soll Cuthbert überliefert haben.«
    »Wird es wirklich geschehen?«
    »Cuthbert sagte, wir, unsere Familie, wir sollen mit unseren Fähigkeiten diese Gefahr abwenden können.« Er lachte auf. »Er sagte auch, es sei eine Prophezeiung.«
    Philip verstand. Jetzt stießen sie zum eigentlichen Kern der ganzen Geschichte vor. Die Rettung der verzweifelten, verlorenen Seelen bekam endlich einen Sinn. Und was für einen. Eine Prophezeiung.
    »Aber das ist doch…« Philip suchte nach einem treffenden Wort. Aber es fiel ihm nichts Besseres ein als: »Wunderbar! Diese Gabe, diese Fähigkeit, das ist doch ein Geschenk…«
    Der andere krächzte wütend. »Große Worte! Gleich wirst du noch von einem Gottesgeschenk sprechen.«
    Der Ausdruck hatte Philip tatsächlich auf der Zunge gelegen, auch wenn er nicht gläubig war. Mit einem vorsichtigen Achselzucken bat er um Entschuldigung. »War nur so eine Redensart.«
    »Eine Redensart«, äffte der andere ihn nach. »Verstehst du denn nicht, was das bedeutet?«
    Nein, Philip verstand nicht.
    Der andere hob ergeben die Hände zum Himmel. »Natürlich… wie solltest du es auch verstehen.« Er lächelte freudlos. »Ich hab es ja damals auch nicht begriffen.« Er fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel, bevor er sagte: »Schon allein Cuthberts Wissen über die Zwischenwelt und das drohende Inferno erschüttert, wenn die Menschheit davon erfährt, die abendländische Kultur. Aber das alleine wäre für die Kirche kein Grund zur Besorgnis. Die Religion ist ein probates Mittel, wenn es den Menschen schlecht geht, wenn sie verzweifelt sind: Leute, glaubt an Gott und an Jesus, den Erlöser, denn sie werden euch vor der Apokalypse bewahren.« Jetzt lachte er laut los. Es war kein ehrliches Lachen. »Aber was, wenn bekannt wird, dass nicht Christus der Erlöser, der Retter ist? Sondern eine Familie, aufgewachsen auf einer kleinen Insel an der englisch-schottischen Grenze. Was für ein Hohn!«
    Philip dachte an den Fotografen Rüdiger Dehnen. An seine ermordete Großmutter. An seinen verschleppten Opa. Ein furchtbarer Verdacht wuchs in ihm: Was war mit dem Tod seiner Mutter? Er hielt die Luft an. War auch sie umgebracht worden?
    Der andere mied seinen Blick. Als wüsste er um seine Befürchtung. Philip schob den Gedanken beiseite, wollte die Wahrheit gar nicht hören. Er sagte nur: »Deshalb trachtet das Offizium nach unserem Leben.«
    »Um jeden Preis. Sie wollen uns aus dem Weg schaffen. Sie wollen das Achat, damit sie die Bücher entschlüsseln und sich die Rettung der Welt auf die eigenen Fahnen schreiben können. Damit wäre ihre Macht gesichert. Für alle Zeiten.«
    »Aber noch lebe ich. Und werde es auch weiterhin, denn ich habe meine Fähigkeiten.« Philip sah den anderen an. »Und nun bin ich, nein, jetzt bist du gekommen, um mich zu retten. Ist das nicht ein viel…«
    »Vergiss es«, rief der andere, und Philip starrte ihn verdattert an.
     
     
    Berlin
     
    Als Cato die Kammer wieder betrat, überkam ihn ein kaum bezähmbares Verlangen nach einem Kaugummi, denn das Kauen hätte sein aufgewühltes Gemüt beruhigen können. Er fühlte

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