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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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sich wie ein Junkie, der unbedingt den nächsten Schuss brauchte; der leise Kopfschmerz, der eine Grippe ankündigte, trug das Seinige dazu bei. Verdammt, seine Taschen waren bis auf ein vollgeschnäuztes Taschentuch leer, und er hatte arge Zweifel, dass sich in nächster Zeit etwas an diesem Zustand änderte. Was seinen Zorn auf den Bischof nur noch steigerte. Es hatte keinen Grund gegeben, ihn so rüde anzufahren.
    Ein dumpfer Schlag auf den Hinterkopf ließ den Raum vor seinen Augen erzittern. Seine Verärgerung wich von ihm. Sein Kopf war plötzlich wie leer gefegt, er spürte nicht einmal mehr den Schnupfen. Die Beine gaben unter ihm nach. Auch sein Verstand wollte dem neuerlichen Drang, sich hinzulegen und zu schlafen, nichts mehr entgegensetzen. Aber eine Stimme in ihm warnte: Das ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür!
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass das Mädchen nicht mehr auf dem zerbrochenen Bettgestell hockte. Er sah nur noch die zerschnittenen Seile, mit denen er ihre Beine gefesselt hatte. Alarmiert wirbelte er auf dem Absatz herum.
    Sie stand hinter der Tür, wartete. Worauf? Dass er endlich zusammenbrach? Er griff sich an den Schädel, spürte warme Flüssigkeit unter seinen Fingern. Als er die Hand vor Augen hielt, sah er Blut. Endlich nahm er ein Pochen auf seiner Schädeldecke wahr. Aber er hatte schon schlimmere Schmerzen ertragen müssen.
    Sie holte erneut aus. Seine Augen weiteten sich, als er das Achat zwischen ihren Händen erspähte. Er machte einen Satz zurück, und diesmal ging ihr Hieb ins Leere.
    Im gleichen Augenblick schoss seine Hand vor, packte sie an der Kehle und schleuderte sie herum. Ihr Körper krachte gegen die schimmelige Wand. Das Achat fiel erneut zu Boden, aber auch diesmal blieb es heil.
    Benommen sank die Frau an der Wand herab. Dort blieb sie sitzen, rieb sich den Hals. Er schlug die Stahlpforte zu und schloss ab. Danach baute er sich vor ihr auf. »Das war ein Fehler!«
    Sie sah empor. »Wieso?« Ihr Kehlkopf hüpfte, während sie sprach. »Bringen Sie mich jetzt um?«
    Er presste die Lippen aufeinander. In ihren Augen erkannte er das Wissen, dass er keine andere Wahl hatte und sie am Leben lassen musste. Deshalb antwortete er: »Lassen Sie das einfach.«
    Trotzig hielt sie seinem Blick stand. Catos Kopf sank auf die Brust. Grenzenlose Erschöpfung schwappte abermals über ihn hinweg. Er fühlte sich ausgepumpt und war der ganzen Angelegenheit nur noch überdrüssig.
    Bringen Sie den Jungen!, hatte der Bischof ihm befohlen. Beeilen Sie sich!
    Mit einem Seufzen stieß er die Luft aus seinen Lungen. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, ging neben der Frau in die Hocke. Auch wenn er es nicht sah, er spürte die Überraschung, mit der sie ihn beobachtete. Aber sie machte keinerlei Anstalten, aufzustehen, auf ihn einzuprügeln, den Raum zu verlassen. Sie sagte keinen Ton. Cato schwieg ebenfalls.
    So saßen sie eine ganze Weile. Gelegentlich betastete er die Wunde an seinem Hinterkopf. Sie blutete nicht mehr. Auch der Schmerz ließ bereits nach, ließ nur noch das fiebrige Wummern der Erkältung zurück. Ab und zu kroch von irgendwo ein leises Grollen durch den Raum, vielleicht eine U-Bahn, die das unterirdische Tunnellabyrinth durchkreuzte.
    Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor, als er schließlich fragte: »Wer sind Sie?«
    »Beatrice«, entgegnete sie.
    Das war nicht die Antwort, die er hatte hören wollen. »Und wer sind Sie?«, fragte sie.
    Er wandte den Kopf in ihre Richtung. Seine Pupillen musterten sie eindringlich, aber es schien sie nicht sonderlich zu stören. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort hätte er sie vermutlich geschlagen. Es stand ihr nicht zu, diese Frage zu stellen. Diejenigen, die dennoch seinen Namen erfahren hatten, hatten an ihrem Wissen nicht mehr lange Freude gehabt. Aber hier und jetzt spielte es keine Rolle mehr.
    Er konnte nicht einmal mehr wütend auf den Bischof sein. Kein Zweifel, de Gussa verlor die Nerven, jetzt, da das Ziel ihrer jahrelangen Bemühungen greifbar war – und gleichzeitig in weite Ferne rückte.
    Waren das die Auswirkungen jener Ereignisse, die das Offizium seit Jahrhunderten fürchtete? Sie dürfen keine Zeit verlieren. Und was war mit Catos Kräften? Sie waren ihm längst abhandengekommen. Nicht erst, seit Beatrice mit dem Achat auf ihn eingeschlagen hatte. Es waren die letzten Tage, Wochen, Monate und Jahre, die ihren Tribut forderten.
    Er sagte: »Ich heiße Cato.«
    »Cato«, wiederholte sie, als

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