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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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seit Sie meinen Großvater…« Sie endete abrupt.
    »Ja«, gab er zu, weil es keinen Sinn hatte zu leugnen. Er wollte sich nicht mehr in irgendwelche Lügenkonstrukte verstricken, nur um an ein Ziel zu gelangen, das gar nicht mehr existierte. »Aber wir können sie nicht lesen. Wir dachten, das Achat …«
    »So sollte es auch sein«, unterbrach sie ihn.
    »Aber?«
    »Sie haben es doch gerade miterlebt.« Sie wischte sich den Staub von den Wangen. »Irgendetwas hat sich verändert.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Wie ich schon sagte: Mein Bruder ist in Gefahr.«
    »Also ist es wahr, dass…«
    »Wir müssen ihm helfen!«, fiel sie ihm erneut ins Wort. »Sonst ist alles zu spät.«
    Er öffnete den Mund zu einer Antwort, doch er hustete nur. Seine Lunge schmerzte, seine Augen tränten. Jetzt begriff er, dass es nicht nur Anteilnahme war, die sie seinen traurigen Kindheitserinnerungen entgegengebracht hatte. Da war noch mehr gewesen in ihren Worten und Blicken, nämlich das Wissen um das Leid und Elend auf dieser und einer anderen Welt, so wie man es ihrer Familie nachsagte. Also stimmte es doch: Sie war die Richtige. Aber was nutzte ihm diese Erkenntnis jetzt noch?
    Lacie!
    »Wer?«, fragte sie.
    Abermals hatte er nicht mitbekommen, dass er seinen Gedanken ausgesprochen hatte. Schnell sagte er: »Ist nicht weiter wichtig.«
    Es genügte, wenn er verstand. Das Achat funktioniert nicht mehr. War das ein Zeichen für das prophezeite Ende? Er schauderte. Sein ganzes Handeln, all die Jahre, seine Mühen erschienen ihm vergebens, die Morde sinnlos.
    Doch nein! Hätte er das alles nicht auf sich genommen, säße er jetzt nicht an diesem Ort, an der Seite des Mädchens, mit seinem neu gewonnenen Wissen. Nur eines war noch wichtig: Ich muss Lacie aufhalten.
     
     
    Berlin
     
    »Aber ich habe diese Fähigkeiten«, widersprach Philip.
    Der andere stimmte zu. »Ja.« Er sagte es in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, dass er längst noch nicht alles verraten hatte.
    Weil er aber offenbar noch nicht gewillt war, darüber zu reden, sagte Philip: »Und ich muss sie nutzen.«
    Sein Gegenüber fegte schroff mit der Hand durch die Luft. »Vergiss es.«
    Philip zuckte erschrocken zusammen. »Aber…«
    »Nein!«, schrie der andere jetzt.
    Etwas Dunkles naht. Wieder wurde Philip das Gefühl nicht los, dass da etwas war, was er übersah. Doch wie die vielen Male zuvor, entzog es sich seiner Gedanken. Zurück blieb nur das infernalische Irgendwo seiner grausigen Zukunftsvision. Eine von vielen Visionen zwar, aber alle hatten sich bislang als wahr entpuppt.
    Der andere wusste um seine Gedanken. »Deine Träume. Ich weiß.« Er hustete und verzog schmerzhaft sein Gesicht. »Ich werde noch heute von ihnen gebeutelt. Etwas Dunkles naht. Der gute, alte Ritz. Ich kann mich noch an ihn erinnern. Er hat mich… uns gerettet. Ja, und dabei hat er einen Blick in das Geheimnis unserer Familie werfen können. Damit wurden all seine morbiden Fantasien, die er zuvor in seine Bilder ritzte, wahr, schlimmer, als er es sich je hätte ausmalen können.«
    »Und was ist damit? Mit der Dunkelheit?«
    Der andere zuckte achtlos die Achseln, als ginge es darum, die Fußballergebnisse des vergangenen Spieltages zu verkünden. »Es ist das, worüber Cuthbert in seinen Büchern geschrieben hat. Das, was uns alle erwartet, verstehst du? Nach dem Armageddon. Nach dem Inferno. Eine neue Eiszeit. Die Dunkelheit.«
    Philip schlang die Arme um seinen Leib. Er hätte nicht gedacht, dass es noch möglich war, aber er fror noch stärker als zuvor. Die Richtung, in die das Gespräch sich entwickelte, gefiel ihm gar nicht. »Ich dachte, wir können es verhindern?«
    Der andere zog die Augenbrauen skeptisch zusammen. Kleine Eisklümpchen hatten sich darin verfangen. »Können wir das?«
    »Was soll das heißen?«
    Der andere sah ihn nur schweigend an.
    »Beginnt sie jetzt, diese Eiszeit?«, begehrte Philip zu wissen und wies auf den endlosen weißen Flor, der die Stadt bedeckte. Er fühlte sich deprimiert. Und wütend, weil der andere es offenbar darauf anlegte, ihn in diese Stimmung zu versetzen.
    Es hätte Philip nicht einmal überrascht, wenn jetzt die Toten hervorgetreten wären, einer nach dem anderen. Die verlorenen Seelen aus der Zwischenwelt.
    Doch stattdessen tauchte aus der Richtung, aus der Philip gekommen war, der Priester auf. Sein schwerer schwarzer Mantel drosselte sein Tempo, auch sein Alter und die Arthritis hemmten seinen Körper, aber Philip sah,

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