Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
hätte ich es auch getan, wenn ...“ Ericas Blick wanderte zum Fenster, als hätte sie sich mit einem Mal in ihren Gedanken verloren.
Rachel nutzte diesen Moment und sah sich rasch um. In Reichweite konnte sie keine Waffen entdecken, nichts, womit sie sich zur Wehr hätte setzen können. Ihre Handtasche lag zusammen mit ihrem Telefon auf dem Tisch, und nicht mal ihr Kaffeebecher befand sich in greifbarer Entfernung.
Erica sah wieder zu Rachel. „Aber Mario musste ja so ein Ehrenmann sein.“
„Wie meinst du das?“
„Er sagte, er wisse, was ich vorhabe. Er wollte es Nico sagen, und was das bedeutet hätte, ist dir ja wohl klar, oder?“
Rachel schüttelte den Kopf.
„Nico hätte mich aus dem Haus geschmissen. Ich hätte nichts gehabt, ich wäre wieder so arm gewesen wie an dem Tag, an dem ich ihn geheiratet hatte. Und darum konnte ich auch in der Nacht nicht schlafen, als deine Mutter die Flucht ergriff. Meine Schlaflosigkeit hatte nichts mit dem Sturm zu tun. Ich suchte nach einer Möglichkeit, wie ich Nico dazu bringen konnte, eher mir als seinem Bruder zu glauben. Ich hörte, wie sich Mario und Alyssa stritten. Ich ging nach unten, um nachzusehen, doch als ich unten ankam, war der Streit vorüber. Alyssa war fort, und Mario saß auf dem Boden. Sein Hinterkopf war blutverschmiert.“ Sie lachte wieder. „Sieh mich nicht so an. Ich tat das, was ich machen musste. Du hättest es auch getan, wenn deine Zukunft davon abgehangen hätte.“
Rachel starrte sie an. „Was genau hast du getan?“
„Ich habe dem Leiden dieses Hurensohns ein Ende gemacht. Er konnte sich nicht wehren, und ich packte ihn an den Schultern, um seinen Kopf noch einmal kräftig gegen den Traktor zu schlagen. Er war auf der Stelle tot.“
„Du hast den Mann getötet, den du geliebt hast?“
„Er wollte mich vernichten! Er wollte mich wie einen schmutzigen Lappen rauswerfen. Das waren seine Worte.“
Der Kaffeebecher, dachte Rachel. Er stand direkt hinter ihr. Wenn sie ihn zu fassen bekommen konnte, ohne Erica aufmerksam zu machen ... „Und nachdem du ihn getötet hast“, sagte sie und hielt dem Blick ihrer Tante stand, „bist du nach oben gegangen, um Sal und Nico zu wecken.“
Ericas Gesichtsausdruck bekam etwas Überhebliches. „Ziemlich schlau, hm?“
„Das macht mich krank. Ich kann es nicht fassen, dass ich dich gemocht und dir vertraut habe, während du die ganze Zeit ...“ Sie schüttelte den Kopf. „Wie konntest du nur einer unschuldigen Frau die Schuld für etwas in die Schuhe schieben, das du verbrochen hattest?“
„Entweder sie oder ich, Rachel.“
„Und Sal? Warum hast du ihn getötet?“
Als sie wieder einen Schritt nach vorne machte, wich Rachel ein Stück zurück. „Er wollte sein Testament ändern und dir die Hälfte vererben.“ Sie machte eine abfällige Handbewegung. „Das war mir egal, denn die Hälfte von Sals Geld ist immer noch ein Vermögen. Aber Nico war außer sich. Er hielt es für die absolute Ohrfeige, und die wollte er diesmal nicht hinnehmen. Er wollte Dassante Farms verlassen und ein eigenes Unternehmen aufbauen. Er sagte, wir hätten genug Geld, um irgendwo einen kleinen Hain zu kaufen.“ Sie lachte verächtlich. „Natürlich hätten wir ein paar Jahre sparsam sein müssen. Keine Designerkleidung, keine Reisen nach Europa, keine Mitgliedschaft im Country Club.“
„Wäre das so schlimm gewesen?“
„Ja, Rachel.“ Ericas Stimme war mit einem Mal wutentbrannt. „Das wäre sehr schlimm gewesen. Ich habe dreiunddreißig Jahre an diesem gottverdammten Ort verbracht. Sollte ich alles, was auf uns wartete, einfach aufgeben, nur weil ein alter Mann meinte, er müsse plötzlich sein Testament ändern? Außerdem wusste ich, dass Nico keinen Erfolg haben kann, wenn er nicht seinen Vater im Rücken hat. Er ist einfach zu dämlich.“
„Aber woher wusstest du, dass sich Sal mit meiner Mutter treffen wollte?“ Während Rachel sprach, arbeitete sich ihre Hand langsam auf der Theke hinter ihr vor auf der Suche nach einer Waffe. Sie betete, dass Erica es nicht bemerkte.
„Sal sagte Nico, dass er sich mit Alyssa treffen würde, aber er verriet ihm weder wo noch wann. Ich habe daraufhin abgewartet, bis der Alte sich in Bewegung setzte, was noch in derselben Nacht geschah, und dann bin ich ihm einfach gefolgt.“
Das Telefon klingelte, und beide zuckten zusammen. Rachels Hand schoss auf das schnurlose Telefon zu, doch Erica war schneller. „Eine gute Methode, um erschossen zu werden,
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